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Jayme, Erik; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1991, 3. Abhandlung): Kunstwerk und Nation: Zuordnungsprobleme im internationalen Kulturgüterschutz ; vorgetragen am 27. Oktober 1990 — Heidelberg: Winter, 1991

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https://doi.org/10.11588/diglit.48163#0032
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Erik Jayme

tional wertvollen Kulturguts“ verlangt hatte.94 95 Dabei ging es vor allem
um ein „Kult-Groß-Krokodil“ von 7,5 m Länge. Das Gericht stellte fest,
daß die Objekte weder einen Bezug zur deutschen Kultur hatten, noch
von Künstlern internationalen Ranges geschaffen seien, und wies die
Klage ab. Aufschlußreich ist an diesem Fall, daß der Eigentümer offen-
bar die Aufwertung seiner Sammlung zum nationalen Kulturgut betrieb.
Solche Gegenstände können zwar selbstverständlich von einem be-
stimmten Volk oder Stamm als identitätsbegründende verstanden wer-
den; die deutsche Nation war aber hier nicht der richtige Adressat.
XVII. Nationalität als Ergebnis der Rezeption
des Kunstwerks
Noch ein Wort zur Nationalität des Künstlers als Zuordnungskrite-
rium für die von ihm geschaffenen Kunstwerke. Künstler verstanden
und verstehen sich häufig als „Außenseiter der Gesellschaft“, wie Mar-
got und Rudolf Wittkower in ihrer großangelegten Monographie glei-
chen Titels nachgewiesen haben.4'’ George Steiner sieht in seinem be-
rühmten Essay den Künstler als „extraterritorial“.96 Das hindert aber
nicht daran, daß die Nation den Künstler als den ihren versteht und seine
Werke - man denke an das Beispiel des Goya-Porträts -97 als nationale
begreift. Nationalität in diesem Sinne ist also das Ergebnis einer Rezep-
tion des Kunstwerks durch eine Nation.
Faßt man dies alles zusammen, so sieht man: Bedeutsam sind die Na-
tionalität des Künstlers, der Entstehungsort und der Bestimmungsort
des Kunstwerks, der Fundort bei Antiken und der Funktionszusammen-
hang bei Kultgegenständen. Hinzu tritt die Bedeutung des Kunstwerks
für die Nation. Nicht jedes Kunstwerk, das von einem deutschen Künst-
ler stammt, ist damit automatisch nationales Kulturgut. Umgekehrt
können andere Merkmale Bedeutung erlangen, wenn der nationale Be-
zug gegeben ist. So hatte Berlin zunächst als einziges nationales Kunst-
werk im Sinne der deutschen Gesetzgebung das von Friedrich dem Gro-
ßen aus einer Haager Kunstsammlung erworbene Bild von Watteau an-
94 VerwG Gelsenkirchen, 5. 6. 1985-4 K 1357/84 - (unveröffentlicht).
95 Margot und Rudolf Wittkower, Künstler - Außenseiter der Gesellschaft, zweite deut-
sche Ausgabe des Buches „Born under Saturn“ (1963), Stuttgart: Klett-Cotta 1989.
96 George Steiner, Extraterritorial - Papers on Literature and the Language Revolution,
Penguin Books, 1975.
97 Oben Note 37.
 
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