Metadaten

Raible, Wolfgang; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1993, 1. Abhandlung): Sprachliche Texte - genetische Texte: Sprachwissenschaft und molekulare Genetik ; vorgetragen am 28. November 1992 — Heidelberg: Winter, 1993

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48167#0020
License: Free access  - all rights reserved
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
12

Wolfgang Raible

der Folge GGC Glycin, etc. Da aus vier „genetischen Buchstaben“
43 = 64 verschiedene Dreier-Kombinationen gebildet werden kön-
nen, existiert im genetischen Code etwas, was in natürlichen Spra-
chen sehr selten vorkommt: echte Homonymie9. Die rechte Seite
der Abbildung 1 macht zugleich eines der (inzwischen nicht mehr
ganz gültigen) Dogmen der molekularen Genetik als eines gerichte-
ten,nicht umkehrbaren Prozesses deutlich: Aus DNS ensteht RNS,
aus RNS entstehen Polypeptid-Ketten, aus Polypeptid-Ketten ent-
steht „der ganze Rest“10.
2 Einige für das Verstehen der molekularen Genetik
nützliche Informationen
Im folgenden sind einige Informationen genannt, die dem Ver-
fasser für das Verstehen der mikrobiologischen Verhältnisse von
großem Nutzen waren. Sie gehen vor allem auf die Lektüre von
Jacques Monod zurück11. Da sie für andere Leser vermutlich eine
ähnliche Bedeutung haben werden, seien sie hier in Form von fünf
Punkten vorausgeschickt.
1. Prokaryoten und Eukaryoten. Eine wichtige Unterscheidung ist
die zwischen einzelligen und mehrzelligen Lebewesen, den Pro-
karyoten und den Eukaryoten: Im Gegensatz zu den Prokaryo-
ten haben die Zellen, die in Zellverbänden existieren, einen vom
9 Drei Dreierkombinationen aus genetischen Buchstaben (UAA, UGA und
UAG) haben überhaupt kein Korrelat in Form einer Aminosäure. Man wollte
sie sogleich als „Interpunktionszeichen“ interpretieren. (Die DA'.S'-Folge
TTAGGG signalisiert, wie inzwischen bekannt ist, als sogenanntes „Teleomer“
das Ende eines Chromosoms, die DAS-Sequenz TTATTT das Ende eines zu
transkribierenden DNS-Passus bzw. genauer, sie ist das Signal für das Anhän-
gen einer sogenannten Poly(A)-Sequenz an die mRNS.) Was die Homonymie
angeht: Bis zu sechs dieser unterschiedlichen Dreierkombinationen stehen für
dieselbe Aminosäure. Zwei Aminosäuren {Methionin und Tryptophan) ent-
spricht im genetischen Code nur eine einzige Dreierkombination oder, wie man
in Anlehnung an die englische Ausdrucksweise auch sagt, ein einziges Triplett
genetischer Buchstaben.
10 Gültig ist das Dogma, das Arthur Kornberg zugeschrieben wird, insbesondere
deshalb nicht mehr, weil es, zumal bei Viren, „reverse transcriptase“ genannte
Enzyme gibt, die aus mRNS wieder DNS erzeugen können. (Diese Entdeckung
wurde 1970 von Howard M. Temin und David Baltimore gemacht.)
11 Vgl. Monod 1970.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften