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Raible, Wolfgang; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1993, 1. Abhandlung): Sprachliche Texte - genetische Texte: Sprachwissenschaft und molekulare Genetik ; vorgetragen am 28. November 1992 — Heidelberg: Winter, 1993

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48167#0028
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Wolfgang Raible

eine notwendige Folge des Umstandes, daß wir eine unendliche
Menge verschiedener Gegenstände und Sachverhalte mit einem
stets begrenzten Inventar von Wortzeichen erfassen müssen19.
2. Hierarchie. Sodann wird die wichtige Rolle der Hierarchie-Ebe-
nen deutlich geworden sein: es geht stets darum, Informations-
stücke, die häufig in der Redekette nicht einmal benachbart sind,
zu größeren Komplexen zusammenzuordnen und solche Kom-
plexe erneut in größere Ganze einzuordnen. Dabei können z.B.
strukturelle Einheiten wie Sätze auch in andere strukturelle Ein-
heiten des gleichen Typs eingebettet sein - wobei dann wie bei
derNcI-Konstruktion nach fertur freilich die eingebettete Struk-
tur als solche markiert wird (hier durch den Infinitiv statt eines
finiten Verbs).
3. Rekursivität. Das Horaz-Beispiel zeigt so, in Verbindung mit der
Hierarchie, zugleich auch das Prinzip der Rekursivität: In eine
Satz-Struktur ist eine zweite Satz-Struktur eingebettet. Wenn
zwei Nomina eine Nominalgruppe bilden, in der das eine vom
anderen Nomen abhängt, kann man noch ein drittes und viertes
hinzufügen, die ihrerseits wieder von den anderen abhängen:
Schiffahrt, Dampf-Schiffahrt, Donau-Dampf-Schiffahrt etc. Man
darf das Verfahren freilich nicht zu weit treiben, weil sonst die
Kapazität des Speichers erschöpft wird, in dem der Hörer die
Botschaft präsent halten muß, bis er sie analysiert und zu einer
neuen Einheit synthetisiert hat.
4. Kontextabhängigkeit. Deutlich dürfte auch die Bedeutung sein,
die die Determination durch den Kontext hat: Das olim am
Anfang gilt für alles, was nachfolgt. Verschiedene Informations-
stücke sind nur dadurch eindeutig geworden, daß sie anderen
zugeordnet werden konnten.
5. Redundanz. Erwähnt sei auch die Bedeutung, die der Redundanz
bei der Übermittlung sprachlicher Botschaften zukommt.
Musterbeispiel für eine nicht-redundante Art der Notation ist
die Aufzeichnung von Zahlen nach dem System der arabischen
Ziffern. Jede fehlende Ziffer, jedes Vertauschen von Ziffern,
führt hier unweigerlich zur Bezeichnung einer anderen Zahl.
19 Vgl. Aristoteles, De sophisticis elenchis 165a 6-8.
 
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