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Raible, Wolfgang; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1993, 1. Abhandlung): Sprachliche Texte - genetische Texte: Sprachwissenschaft und molekulare Genetik ; vorgetragen am 28. November 1992 — Heidelberg: Winter, 1993

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.48167#0041
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Sprachliche Texte - Genetische Texte

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den Embryo in Zonen aufteilen, die von ihrem zukünftigen Schick-
sal her genau definiert sind. Es handelt sich um die Äquivalente
der schon erwähnten morphogenetischen Zonen34. Das Prinzip ist
in Abbildung 8 ausgehend von einer etwas späteren Phase zu ver-
folgen.
4.2.3 Wiederholung der Phylogenese in der Ontogenese
Dem makrobiologischen Beleg für das Gesetz, daß Stadien auf
vorhergehenden Stadien aufbauen, und dem Beispiel für die mor-
phogenetischen Zonen, die sich schon früh in der Ontogenese des
Embryos abzeichnen, sei noch eine weitere Überlegung hinzuge-
fügt. Auch sie soll es uns erleichtern, das hinter diesen Erscheinun-
gen stehende Funktionieren der Umsetzung der genetischen Infor-
mation in einzelnen Zellen zu verstehen.
Die Biologen, die sich mit Fragen der Genetik beschäftigen,
haben es mit der Evolution und mit der Entstehung des Lebens zu
tun, also mit einem Gebiet, das zugleich hoch interessant und in
hohem Maße mysteriös ist. Die Gedanken von Wissenschaftlern
34 Dies trifft, wie man inzwischen weiß, schon für die Phasen vor dem Blastoderm
zu. Die entsprechenden Ergebnisse sind vor allem durch geduldiges Arbeiten
mit sogenannten Mutanten gewonnen worden, wobei Christiane Nüsslein-Vol-
hard eine Schlüsselrolle zukommt. Die Oozyte besitzt schon von Anfang an,
also von der Mutter her, die mRN S von vier Genen (sogenannte „maternale
mRNS“). Sie sind am vorderen Ende (bicoid), am hinteren Ende (nanos), am
vorderen und hinteren Ende (roroo) und auf der Bauchseite (Ton') der Oozyte
lokalisiert, und zwar teils in der Oozyte (bicoid und nanos), teils in der Mem-
bran, die sie umgibt. Die Proteine, die aus diesen mRNS-Ketten entstehen,
aktivieren andere Gene. Die Proteine, die aus der am vorderen Pol der Oozyte
befindlichen mRNS des Gens bicoid entstehen, diffundieren in der Längsachse
der Oozyte, wo dann in Abhängigkeit von der Veränderung ihrer Konzentration
(als von einem „Gradienten“) andere Gene aktiviert werden. Allgemeinver-
ständlich sind diese Prozesse z.B. dargestellt in Nüsslein-Volhard 1991 oder in
Lawrence 1992: 25-49 (Kapitel 2 [„The first Coordinates“]).
Es handelt sich bei den gefundenen Genen häufig um Benennungen, die
von Mutationen herrühren, deren charakteristische, sichtbare Folgen beim Phä-
notyp ihre Entdeckung erleichtert haben: Krüppel, knirps, hunchback („buck-
lig“), fushi tarazu, die japanische Bezeichnung für „es fehlt einer“ - übrigens
eine letale Mutation. Bisweilen kommen die Namen auch aus dem griechisch-
lateinischen Bereich, wie etwa die von Walter J. Gehring entdeckten antenna-
pedia (es handelt sich um eine Mutation, bei der die Fühler durch zusätz-
liche Beine ersetzt sind.) - An der Bezeichnung der entsprechenden Gene kann
man leicht auch die Internationalität der entsprechenden Forschungen erken-

nen.
 
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