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Raible, Wolfgang; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1993, 1. Abhandlung): Sprachliche Texte - genetische Texte: Sprachwissenschaft und molekulare Genetik ; vorgetragen am 28. November 1992 — Heidelberg: Winter, 1993

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https://doi.org/10.11588/diglit.48167#0070
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Wolfgang Raible

Alle Funktionen im Organismus sind minutiös aufeinander abge-
stimmt. Dies bedeutet: Alle Wörter der Molekülsprache sind zu einem sinn-
vollen Text zusammengesetzt, der sich nach Sätzen gliedern läßt. Die Wei-
tergabe dieses Textes von Generation zu Generation und die Nachrichten-
übermittlung zwischen Legislative und Exekutive innerhalb der Zelle kön-
nen jedoch nicht mit dem auf funktionelle Effizienz zugeschnittenen
Alphabet der Proteine verwirklicht werden. (Eigen/Winkler 1987 : 3 04f.)
Die beiden Autoren sprechen, wie aus dem vorhergehenden
Abschnitt 8.4 ersichtlich ist, auf der Ebene der zweiten Artikulation
wiederum von einem Alphabet, dessen „Protein-Buchstaben“ zu
Wörtern kombiniert werden. Das verschiebt lediglich die übliche
Vergleichs-Hierarchie um eine Stufe. Auch hier wird der ganze
Organismus als „sinnvoller Text“ bezeichnet (noch genauer müßte
man nach 8.2 sagen: als das, was dem „Sinn“ eines Textes ent-
spricht). Bestimmte Aktivitäten, die in den Zellen ablaufen, werden,
eher metaphorisch, mit den „Tätigkeitswörtern“ (Verben) der
menschlichen Sprachen verglichen80.
8.6 Aufbau und Funktionieren des jeweiligen Codes
Im vorliegenden Beitrag ging es vorwiegend darum darzustellen,
in welcher Hinsicht die Bauprinzipien beider Code-Systeme ver-
gleichbar sind und sogar - wegen der Lösung eines identischen Pro-
blems, der Reduktion von vier (und mehr) Dimensionen auf die
Linearität der jeweiligen Code-Sequenz - vergleichbar sein müssen.
Diese Prinzipien - neben der doppelten Artikulation die Hierarchie-
bildung mit der dazugehörigen geregelten Kombinatorik, die Meta-
kommunikation, Rekursivität, Redundanz und Kontextsensitivität -
wurden ausführlich dargestellt und an Beispielen belegt.

80

Vgl. hierzu die oben vertretene Interpretation von Enzymen als bedingte Anwei-
sungen, die, als sprachliche „Sätze“ formuliert, auch einen verbalen Kern haben.
 
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