ULMER KIRCHENORDNUNG
191
Seine Berufung nach Ulm durch den Rat im Juni 1524 war die Folge
einer Eingabe, die von evangelischen Bürgern dem Rat eingereicht
worden war34. Von einer evangelischen Gesinnung des Ulmer Rates
konnte damals noch keineswegs die Rede sein. Aber in Ulm - wie auch
in anderen Reichsstädten - mußten die jeweiligen Magistrate mit der
ständigen Zunahme der evangelischen Anhänger unter der Bürgerschaft
rechnen und auf diese zahlenmäßig große Gruppe eingehen35. Um des
Stadtfriedens willen zudem waren Maßnahmen von seiten des Magistrats
erforderlich: Auf der einen Seite traten innerhalb der evangelischen Be-
wegung täuferische Richtungen auf, die speziell in ihrer teilweise grund-
sätzlichen Ablehnung jeglicher Obrigkeit für die Reichsstädte und deren
demokratische Stadtverfassungen eine geradezu lebensgefährliche Be-
drohung darstellen mußten36. Auch in Ulm begegneten zu Beginn des
Jahres 1524 die berühmten Zürcher Täuferführer Konrad Grebel und
Felix Mantz, die einen nicht geringen Anhang in der Stadt fanden37.
Bis hin dem späteren Aufenthalt Sebastian Francks hat Ulm innerhalb der
ständig wachsenden und sich konsolidierenden evangelischen Reformation eine Aus-
einandersetzung mit täuferischen Vertretern aller Richtungen führen müssen38.
Andererseits setzt mit den Jahren 1523/1524 auch in Ulm in ver-
schärftem Maße die Auseinandersetzung zwischen den Anhängern der
evangelischen Richtung und den Vertretern der sogenannten altgläubi-
gen Partei mit besonderer Heftigkeit ein.
In dieser gespannten Situation war es auch für den Ulmer Rat eine
Hilfe zur Wahrung des Stadtfriedens, daß das Reichsregiment von Nürn-
berg aus im Februar 1523 angesichts der in allen Städten und Territorien
um sich greifenden Kanzelstreitigkeiten zwischen Altgläubigen und Evan-
gelischen ein Mandat erließ, in dem verfügt wurde, es sollte fortan auf den
Kanzeln allein das Evangelium gepredigt werden39. Auf dieses Mandat
hin erschienen bald in allen Reichsstädten sogenannte »Predigtmandate«,
34. Ebd.,bes. S. 33 ff.
35. Ebd.,bes.S. 53. Für die parallelen Straßburger Verhältnisse vgl.E.-W.Kohls:
Martin Bucer und die Schule, a.a.O., bes.S.43ff.
36. An dieser Stelle - der obrigkeitsablehnenden Haltung - liegt die Hauptgefahr
der täuferischen Bewegung in den Reichsstädten. Aus der Fülle der neueren Täufer-
Literatur sind gerade auch für die Ulmer Verhältnisse äußerst instruktiv die elsässi-
schen Täuferakten, die viel Ulmer Material bieten; vgl.Krebs/Rott: Bd. 7 und 8,
Gütersloh 1959 und 1960.
37. Vgl.C. Th.Keim: Die Reformation der Reichsstadt Ulm, a.a.O., bes.S.64f.
38. Vgl. vor allem J.Endriß: Sebastian Francks Ulmer Kämpfe, a.a.O., und ders.:
Kaspar Schwenckfelds Ulmer Kämpfe, a.a.O. Zu B.s spezieller Auseinandersetzung
mit den Täufern im Württembergischen Raum vgl.E.-W.Kohls: Blarer und Bucer.
Der Konstanzer Reformator Ambrosius Blarer (1492-1564), Gedenkschrift zu seinem
400.Todestag, hg. von B. Moeller, Konstanz und Stuttgart 1964, S.172-192, bes.
S. 174ff.
39. Vgl.Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe, Bd.3, Gotha 1901, bes. S.747ff.
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Seine Berufung nach Ulm durch den Rat im Juni 1524 war die Folge
einer Eingabe, die von evangelischen Bürgern dem Rat eingereicht
worden war34. Von einer evangelischen Gesinnung des Ulmer Rates
konnte damals noch keineswegs die Rede sein. Aber in Ulm - wie auch
in anderen Reichsstädten - mußten die jeweiligen Magistrate mit der
ständigen Zunahme der evangelischen Anhänger unter der Bürgerschaft
rechnen und auf diese zahlenmäßig große Gruppe eingehen35. Um des
Stadtfriedens willen zudem waren Maßnahmen von seiten des Magistrats
erforderlich: Auf der einen Seite traten innerhalb der evangelischen Be-
wegung täuferische Richtungen auf, die speziell in ihrer teilweise grund-
sätzlichen Ablehnung jeglicher Obrigkeit für die Reichsstädte und deren
demokratische Stadtverfassungen eine geradezu lebensgefährliche Be-
drohung darstellen mußten36. Auch in Ulm begegneten zu Beginn des
Jahres 1524 die berühmten Zürcher Täuferführer Konrad Grebel und
Felix Mantz, die einen nicht geringen Anhang in der Stadt fanden37.
Bis hin dem späteren Aufenthalt Sebastian Francks hat Ulm innerhalb der
ständig wachsenden und sich konsolidierenden evangelischen Reformation eine Aus-
einandersetzung mit täuferischen Vertretern aller Richtungen führen müssen38.
Andererseits setzt mit den Jahren 1523/1524 auch in Ulm in ver-
schärftem Maße die Auseinandersetzung zwischen den Anhängern der
evangelischen Richtung und den Vertretern der sogenannten altgläubi-
gen Partei mit besonderer Heftigkeit ein.
In dieser gespannten Situation war es auch für den Ulmer Rat eine
Hilfe zur Wahrung des Stadtfriedens, daß das Reichsregiment von Nürn-
berg aus im Februar 1523 angesichts der in allen Städten und Territorien
um sich greifenden Kanzelstreitigkeiten zwischen Altgläubigen und Evan-
gelischen ein Mandat erließ, in dem verfügt wurde, es sollte fortan auf den
Kanzeln allein das Evangelium gepredigt werden39. Auf dieses Mandat
hin erschienen bald in allen Reichsstädten sogenannte »Predigtmandate«,
34. Ebd.,bes. S. 33 ff.
35. Ebd.,bes.S. 53. Für die parallelen Straßburger Verhältnisse vgl.E.-W.Kohls:
Martin Bucer und die Schule, a.a.O., bes.S.43ff.
36. An dieser Stelle - der obrigkeitsablehnenden Haltung - liegt die Hauptgefahr
der täuferischen Bewegung in den Reichsstädten. Aus der Fülle der neueren Täufer-
Literatur sind gerade auch für die Ulmer Verhältnisse äußerst instruktiv die elsässi-
schen Täuferakten, die viel Ulmer Material bieten; vgl.Krebs/Rott: Bd. 7 und 8,
Gütersloh 1959 und 1960.
37. Vgl.C. Th.Keim: Die Reformation der Reichsstadt Ulm, a.a.O., bes.S.64f.
38. Vgl. vor allem J.Endriß: Sebastian Francks Ulmer Kämpfe, a.a.O., und ders.:
Kaspar Schwenckfelds Ulmer Kämpfe, a.a.O. Zu B.s spezieller Auseinandersetzung
mit den Täufern im Württembergischen Raum vgl.E.-W.Kohls: Blarer und Bucer.
Der Konstanzer Reformator Ambrosius Blarer (1492-1564), Gedenkschrift zu seinem
400.Todestag, hg. von B. Moeller, Konstanz und Stuttgart 1964, S.172-192, bes.
S. 174ff.
39. Vgl.Deutsche Reichstagsakten, Jüngere Reihe, Bd.3, Gotha 1901, bes. S.747ff.