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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 4): Zur auswärtigen Wirksamkeit: 1528 - 1533 — Gütersloh, 1975

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https://doi.org/10.11588/diglit.29141#0211

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ULMER KIRCHENORDNUNG

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nach Ulm verpflanzt worden, wie überhaupt der Aufbau: Deutsche
Schulen, Lateinschulen und abschließende »Vorlesungen« (lectiones) ganz
Bucers Straßburger Plänen entspricht und der Wortlaut der Kirchen-
ordnung zahlreiche Anklänge an Bucers Straßburger Schulgutachten
bietet112.
Der zweite Hauptteil der Ulmer Kirchenordnung ist den Fragen der
Kirchengebräuche und speziell der kirchlichen Sitte und Zucht ge-
widmet113. Von den Feiertagen wird allein der Sonntag beibehalten, das
Fasten wird abgeschafft. Die Ermahnungen über »gsang und gepet«
atmen ganz den Geist, der aus Bucers späterer Vorrede zum berühmten
Straßburger Gesangbuch spricht114, wie auch die Ausführungen über die
Taufe und das Abendmahl, ebenfalls über die Ablehnung der Bilder mit
den Äußerungen Bucers etwa in »Grund und Ursach« (1524) oder in
»Das einigerlei Bild ... nit mögen geduldet werden« (1530)115 vielfach
wörtlich übereinstimmen.
Neben den Abschnitten über die Ehe (wobei der kirchliche Segensakt
als Ehebestätigung gewertet wird)116, über Krankenbesuche und -kom-
munion (die in Ausnahmefällen gestattet wird117) und über die Verstor-
benen ist der gesamte Schluß der Ulmer Kirchenordnung den Fragen
christlicher und bürgerlicher Zucht jeweils gewidmet. Für beide Be-
reiche ist die letzte Instanz der Ulmer Rat: Das Verhältnis zwischen
christlicher und politischer Zucht ist damit letztlich nicht klar geschie-
den, Bucers Anliegen einer innergemeindlichen Bannpraxis ist vor allem
nicht aufgegriffen worden. Die Ausführlichkeit der politischen Zucht im
Abschnitt »Von straf der Laster«118 verrät auch in Ulm die deutliche
Tendenz, daß die Magistrate die Fragen innerchristlicher Zucht durch
eine strenge Handhabung einer allgemeinen politischen Sittenordnung

112. Vgl. dazu E.-W.Kohls: Die Schule bei Martin Bucer in ihrem Verhältnis zu
Kirche und Obrigkeit, a.a.O., bes.S.43ff. Vgl. dort auch für Ulm ebd. S.99ff. und die
Anmerkungen dazu S. 236-237.
Zur Entwicklung des Ulmer Schulwesens, die im Sinne B.s erfolgt ist, vgl. die
älteren Arbeiten von G.F.D.Goess: Organisation des Ulmischen Gymnasiums, Ulm
1810, und K. Pfaff:Geschichtedes gelehrten Unterrichts in Württemberg, Ulm 1842,
und die Darstellung von J. Greiner in dem Sammelwerk: Geschichte des humanisti-
schen Schulwesens in Württemberg, Bd.II, 1, Stuttgart 1920, S. 264-268.
Für B.s Schulgutachten vgl.uns. Ausg., Bd.2, S.385-422 und Bd.7, S. 503-582.
113. Vgl. unten den Abdruck der Kirchenordnung Bl.C2aff.
114. Vgl. dazu meine Darstellung innerhalb der Bearbeitung der Schulgutachten
Bucers, uns.Ausg.Bd.7, S. 576-582.
115. Vgl. in diesem Band S. 165ff.
116. Vgl. unten den Abdruck der Kirchenordnung Bl.D2b.
117. Vgl. ebd. Bl. D3a, Bl.D5ff.
118. Vgl. den Überblick bei E.-W.Kohls: Ein Abschnitt aus Martin Bucers Ent-
wurf für die Ulmer Kirchenordnung, a.a.O. bes.S. 190ff.
 
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