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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]; Stupperich, Robert [Bearb.]; Kroon, Marijn de [Bearb.]; Rudolph, Hartmut [Bearb.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 6,1): Wittenberger Konkordie (1536) — Gütersloh, 1988

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https://doi.org/10.11588/diglit.29831#0025
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EINLEITUNG

2 I
Charakter. Bei allen Verhandlungen sieht er in ihm nur den Politiker, dem es darauf
ankommt, seine Partner durch Überredungen und Verschleierungen zu dem von ihm
intendierten Ziel zu bringen. Daß Bucer von einer fundierten, in jahrelanger Beschäfti-
gung mit dem Thema gewonnenen theologischen Position aus handelte und zudem ein
frommer Mann war, dem wirklich an der Sache christlicher Einigkeit lag und der diese
mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln erstrebte, verliert Köhler gelegentlich ganz
aus dem Auge. Er sieht in ihm dann nur den Taktiker, der ein »leichtfertiges Spiel« mit
Formeln treibt. Sein Ressentiment gegen Bucer kommt in seiner Darstellung immer
wieder zum Durchbruch; er wirft ihm ein Balancieren und Jonglieren mit Formeln vor
oder spricht vom »Maurermeister Bucer«27.

2. Die Kasseler Handlung
In den Monaten nach der Württemberger Konkordie wirkte der Landgraf verstärkt an
der Überwindung der Hindernisse, die einer Einigung im Abendmahlsstreit entgegen-
standen. Die Bedingungen hierfür hatten sich verbessert28. Melanchthon, der schon
seit längerem in einem zweiseitigen Theologengespräch den angemessenen Weg
dorthin gesehen hatte29, teilte am i. August 1534 Bucer mit, daß er mit dem sächsi-
schen Kurfürsten darüber gesprochen habe und nun den Landgrafen in Kürze erwarte.
Sollte Philipp von Hessen nicht kommen, dann wolle er ihm schreiben. Er wieder-
holte, daß es sein größtes Anliegen sei, »ut illud ingens scandalum dissensionis inter
nos aliquando auferatur«30. Bucer zeigte sich angesichts der Offenheit und Bereitschaft
der Wittenberger aufs höchste erfreut. Um Melanchthon entgegenzukommen, schrieb
er am 27. August 153431, bei den Besprechungen solle mit Vorsicht und Maß vorge-
gangen werden: »Moderatio proderit indubie plurimum«. Sodann bat er inständig,
nicht nachzulassen: »Perge ergo hoc instituto«! Eintracht sei der höchste Segen, dessen
die Kirche teilhaftig werden könne. Bucer war an diesem Unternehmen so viel gelegen,
daß er mitten in seinem Brief in ein Gebet überging.
27. Vgl. Köh/er 2, S. 365.
28. Die Stuttgarter Formel hatte Luthers Billigung erfahren; vgl. Melanchthon am 16. Sep-
tember 1534 an Philipp von Hessen; CR Mel 2, Nr. 1217, Sp. 78ff.; vgl. auch Köhler 2, S. 354.
29. Schon am 10. Oktober 1533 hatte er ein Gespräch mit B., den er seit dem Augsburger
Reichstag 1530 persönlich kannte und schätzte, anstelle einer größeren Konferenz vorgeschlagen
(vgl. CR Mel 2, Nr. 1134, Sp. 675 f.; MBW 2, Nr. 1368), ein Gedanke, der sich schon vorher
andeutete; vgl. sein Schreiben vom März [1533] und vom [Sommer 1533] an B.; CR Mel 2,
Nr. 1101, Sp. 641h (MBW 2, Nr. 1315) und CR Mel 2, Nr. 981, Sp. 498h (MBW 2, Nr. 1355)-
Daß Melanchthon an seinem Gedanken festhielt, zeigt sein Brief an B. vom 15. März 1534; CR
Mel 2, Nr. 1175, Sp. 7ioff.; vgl. dazu auch Köhler 2, S. 358f£. Als, allerdings verworfene,
Alternative zu einem solchen Gespräch zwischen Melanchthon und B., um in der Konkordien-
frage voranzukommen, war im Herbst 1534 eine größere Konferenz von Theologen vor allem
von Kursachsen erwogen worden; vgl. Köhler 2, S. 359.362 und A. Dueck: An Unpublished
Letter Pertaining to Developments prior to the Colloquy between Bucer and Melanchthon,
December 1534. In: ARG 66. 1975. S. 141—151, bes. 144h
30. Melanchthon am 1. August 1534 an B.; CR Mel 2, Nr. 1206, Sp. 776.
31. Bindseil, Nr. 120, S. 90 f.
 
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