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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]; Stupperich, Robert [Bearb.]; Kroon, Marijn de [Bearb.]; Rudolph, Hartmut [Bearb.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 6,1): Wittenberger Konkordie (1536) — Gütersloh, 1988

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https://doi.org/10.11588/diglit.29831#0042
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EINLEITUNG

zu großem Unbehagen und militantem Unwillen gegen die Wittenberger Konkordie
geführt, und in Bern machte sich die Abneigung gegen Bucers Retraktationen noch auf
der Herbstsynode vom September 1537 bemerkbar144.
Bucer hatte ja Luther gegenüber in Wittenberg versprochen, seine im Evangelien-
kommentar 1530 ausgeführten Gedanken über das Abendmahl im Sinne der Witten-
berger Konkordie zu präzisieren145. Dies tat er in seinen Retraktationen. Bucer gab
darin zu, früher über die Sakramente unbedacht geurteilt zu haben. Erst der Begriff der
unio sacramentalis146 habe ihm den Zugang zu Luthers Abendmahlsauffassung er-
schlossen. Daneben ist bemerkenswert, wie stark sich Bucer um eine Verteidigung
Zwinglis bemühte. Er äußerte zwar, daß Zwingli im Eifer des Gefechts die durch die
Schrift gesetzten Grenzen überschritten und Unhaltbares spekulativ gefordert habe,
weiß aber auch das Positive bei ihm zu würdigen. Dabei verweist Bucer auf Aussagen,
die Zwingli ihm gegenüber persönlich gemacht habe. Seine Wertung der Abendmahls-
lehre Luthers in seinen Evangelienkommentaren von 1527 und 1530 widerrief er, um
sein neues Verständnis darzulegen. Nach Köhler147 hat er sich sonst nirgends so offen
ausgesprochen.
Mit den Retraktationen löste Bucer das Luther gegebene Versprechen ein, schuf
aber - wie schon angedeutet - mit der Abkehr von seinen früheren Ansichten gegen-
über den Schweizern neue Schwierigkeiten148.
Eine Sonderstellung nimmt in der Geschichte der Aufnahme der Wittenberger
Konkordie die süddeutsche Stadt Konstanz ein. Sie gehörte zu den Unterzeichnern der
Tetrapolitana, und besonders zu den Brüdern Blarer unterhielt Bucer herzliche
Freundschaftsbeziehungen. Die Einigungsschrift des Reformators an den französi-
schen König Franz I. hatte jedoch auf die Konstanzer einen schlechten Eindruck
gemacht149. Sie fürchteten die Wiederherstellung der bischöflichen Jurisdiktion und
Herrschaft in ihrer Stadt. Politisch bedroht, in Sorge, in eine Isolation zu geraten, und
Bucers Unionsbestrebungen gegenüber theologisch mißtrauisch geworden, wandte
sich die Stadt am Bodensee immer stärker den Eidgenossen zu. Die Antwort an Luther
schoben die Konstanzer vor sich hin. Daher drängten die Straßburger den Rat in einem
Schreiben vom 23. November 1536, endlich seine Stellungnahme zur Wittenberger
Formula abzugeben (Dokument Nr. 19).
Aber auch Basel, Zürich und Bern ließen sich mit ihrer Antwort an Luther Zeit. Erst
am 12. Januar 1537 wurden ihre Erklärungen gemeinsam über Straßburg an Luther
144. s. unten S. 294 und 300.
145. An die fratres zubringen, Abs. 16: »Sie wolten alles das retractieren, hettens auch gethan,
was sie immer künten wissen«. Zur Drucklegung der Retraktationen vgl. M. de Kroon: La
traduction allemande de Bucer de la »Retractatio« parue dans son Commentaire sur »Matthieu«.
In: Institut d’Histoire de la Reformation. 8e rapport d’Activite 1983—1985 [Geneve 1987].
S. 314L Der Text der Retraktation zur Auslegung der Abendmahlsworte ist auch getrennt
erschienen und später in den Tomus Anglicanus, S. 642 ff. aufgenommen worden.
146. Vgl. unten S. 48, Z. 17 u.ö.
147. Köhler 2, S. 459.
148. Vgl. Köhlers negative Wiedergabe von B.s Ausführungen in der großen Retraktation zu
Mt 26,26; a.a.O., S. 460 — 464.
149. Vgl. Pollet 2, S. 488-518; K. J. Seidel, a.a.O., S. 94-105; vgl. auch oben Anm. 65.
 
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