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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Bergholz, Thomas [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (16. Band = Baden-Württemberg, 2): Herzogtum Württemberg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2004

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https://doi.org/10.11588/diglit.30655#0037
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Einleitung

in die dritte von 152110. Die vierte Landesordnung von 1536 zeigte schließlich einen eindeutig evangelischen
Einschlag, indem sie die Untertanen zum Besuch des Predigtgottesdienstes an Sonn- und Feiertagen
anhielt11.
Der 1534 zwischen Herzog Ulrich und König Ferdinand geschlossene Frieden von Kaaden ermöglichte
dem Herzog die Einführung der Reformation in seinem Territorium, zumal die evangelische Bewegung von
weiten Teilen der Bevölkerung getragen wurde. Eine Besonderheit war die territoriale Lage des Herzogtums
zwischen der zwinglischen Schweiz und dem lutherischen Hessen, denen Ulrich beiderseits verpflichtet war.
Durch diese geographische Situation kam Württemberg eine Brückenfunktion zwischen den beiden unter-
schiedlichen reformatorischen Lehren anhängenden Territorien zu. Herzog Ulrich betraute daher den luthe-
rischen Theologen und Marburger Professor Erhard Schnepf12 sowie den Konstanzer Theologen Ambrosius
Blarer13 mit der Reformation seines Herzogtums, das hierfür in zwei Zuständigkeitsbereiche aufgeteilt
wurde: Schnepf agierte im Norden mit Amtssitz in Stuttgart, Blarer im Süden mit Amtssitz in Tübin-
gen14.
Nachdem die Reformation in Stuttgart mit der ersten evangelischen Predigt in der Stiftskirche durch
den herzoglichen Hofprediger Konrad Öttinger15 am 16. Mai 1534 einen Anfang genommen hatte16, erließ
Herzog Ulrich eine Vielzahl einzelner Mandate zur Einführung der Reformation in den übrigen Orten des
Landes. Zu diesen ersten Befehlen gehörten auch Maßnahmen gegen die Täufer, von denen Ulrich sich in
seiner reformatorischen Glaubensauffassung klar abgrenzen wollte17. In eine andere Richtung weist ein
Mandat vom 12. Juni 1534, worin der Herzog die Amtleute dazu anhielt, die Weiterreichung der Zehnten an
die rechtmäßigen Zehntherren zu beaufsichtigen. Am 16. Juli 1534 wurden die Amtleute aufgefordert, die
rechtlichen und personellen Verhältnisse sämtlicher Pfründen zu verzeichnen18, um einen Überblick zu
erhalten, welche Pfründen nach Aufhebung der Messe überflüssig geworden waren. Die Inhaber solcher
Pfründen wurden entlassen, sofern sie kein evangelisches Kirchenamt annahmen oder altershalber ein Leib-
geding erhielten. Stärker noch als die Stellen der Weltgeistlichen wurden die Klöster und Stifte mit ihren
Gütern inventarisiert, und für sie wurde eine erste Bestandsaufnahme des gesamten Kirchenvermögens
angefertigt19.
In dieser Anfangsphase der württembergischen Reformation stellte der personelle Austausch ein wich-
tiges Element dar. Das herzogliche Gericht und der Rat sollten laut Mandat vom 31. Oktober 1534 mit
evangelisch gesinnten Personen besetzt werden20. Diese ersten Mandate dienten dazu, die evangelische
Lehre in Abgrenzung zu anderen Lehrmeinungen einzuführen. Ferner sollte als Vorbereitung auf die Zen-
tralisierung der kirchlichen Finanzen in der Hand des Landesherrn ein Überblick über die kirchlichen Güter
geschaffen werden.

10 Druck der zweiten Landesordnung bei Reyscher,
Gesetze XII/1, Nr. 6 S. 17-35, hier S. 18f. Druck der
dritten Landesordnung ebd., Nr. 10 S. 36-62, hier S. 37f.
11 Druck: Reyscher, Gesetze XII/1, Nr. 21 S. 84-122,
hier S. 85ff. Vgl. Matthes, 10 Briefe, S. 143.
12 Zu Erhard Schnepf siehe Ehmer, Schnepf, S. 72-126;
Leppin, Art. Schnepf, in: TRE 30, S. 233ff.; RGG3 5
Sp. 1467; ADB 32, S. 168-172; Hartmann, Schnepff,
S. 1-169.
13 Zu Ambrosius Blarer siehe Moeller, Art. Blarer, in:
TRE 6, S. 711-715; RGG41, Sp. 1638.
14 Vgl. Leppin, Streit, S. 159-187.
15 Zu Konrad Öttinger siehe Pfeilsticker, Dienerbuch
I, § 367.
16 HStA Stuttgart A 63 Bü 4; vgl. Bossert, Geschichte
Stuttgarts, S. 164f.; Brecht/Ehmer, Reformationsge-
schichte, S. 204; Rückert, Alte Christen - neue Chri-

sten, S. 72; Reformation in Württemberg, S. 112;
Brecht, Grundbedingungen, S. 5-19; Leppin, Streit,
S. 159-187, Schlaich, Neuordnung, S. 355-378.
17 Rauscher, Visitationsakten, Nr. 4, S. 3f.; Ernst, Kir-
chengut, S. 414; Reformation in Württemberg, S. 288;
Bossert, Wiedertäufer, S. 37.
18 HStA Stuttgart A 63 Bü 4. Drucke: Reformation in
Württemberg, S. 109f.; Rauscher, Visitationsakten,
Nr. 1-2 S. 1f.
19 Rauscher, Visitationsakten, Nr. 3 S. 2; vgl. Deetjen,
Studien, S. 170-173; Rothenhäusler, Abteien und
Stifte, Beil. 7 S. 249, Beil. 13 S. 258; Von Weech, Her-
renalb, S. 332-335; vgl. Reformation in Württemberg,
S. 276.
20 HStA Stuttgart A 63 Bü 4. Druck: Rothenhäusler,
Abteien und Stifte, S. 248f. Beil. 7; vgl. Rauscher,
Visitationsakten, S. 2 Nr. 2.

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