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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Bergholz, Thomas [Bearb.]; Sehling, Emil [Begr.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (16. Band = Baden-Württemberg, 2): Herzogtum Württemberg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2004

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https://doi.org/10.11588/diglit.30655#0060
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Württemberg

ster blieben außerhalb des Kirchenguts. Für das Vermögen der Männerklöster wurde ein eigenständiges
Depositum eingerichtet, das bis 1655 bestand207.
Mit dieser Nutzungs- und Verwaltungsverfügung des Kirchenkastens schloss sich Württemberg dem
Modell anderer Territorien an. Im Gegensatz zu diesen hatte der württembergische Kirchenkasten jedoch
nicht nur für den Bereich einer Stadt, sondern für den des gesamten Herzogtums Gültigkeit.
Die Kastenordnung von 1552 hatte ein langes Nachleben. Sie wurde in die Große Kirchenordnung von
1559 und deren Neuauflage 1582 aufgenommen, 1615 erschien eine weitere separate Auflage. Die Ordnung
wirkte schließlich bis zur Neuregelung des Armenwesens und der Sozialfürsorge Anfang des 19. Jahrhun-
derts208. Auch in die Mömpelgarder Kirchenordnung von 1560 und deren Neuauflage von 1571 wurde die
Kastenordnung übernommen. Über die Grenzen Württembergs hinaus war die Ordnung Vorbild für die
Kastenordnung des Fürstentums Braunschweig-Wolfenbüttel von 1569209. Auch der Text der Heidelberger
Almosenordnung (um 1570) wurde teilweise wörtlich aus der württembergischen Ordnung übernom-
men210.
Das bei Veröffentlichung der Kastenordnung immer noch in Geltung befindliche Interim wurde erst in der
zweiten Hälfte des Jahres 1552 förmlich beendet, nachdem Kurfürst Moritz von Sachsen den Kaiser im
sogenannten Fürstenkrieg schließlich zur Flucht aus Innsbruck hatte zwingen können211. Der Passauer
Vertrag vom 2. August 1552 beurkundete den Waffenstillstand und gestattete die friedliche Religionsaus-
übung bis zum nächsten Reichstag. Damit erhielt das in Württemberg ohnehin untergrabene Interim einen
offiziellen Schlusspunkt, der mit dem Religionsfrieden auf dem Augsburger Reichstag 1555 unterstrichen
wurde. Herzog Christoph setzte nun alles daran, Staat und Kirche endgültig evangelisch zu ordnen. Seine
Religionspolitik, die er gemeinsam mit Johannes Brenz vorantrieb, zielte auf die Konsolidierung der luthe-
rischen Lehre in Abgrenzung zu anderen Lehrmeinungen.

29. Kirchenordnung 1553 (Text S. 223)
Die Feier des evangelischen Gottesdienstes im Herzogtum Württemberg war erstmals 1536 umfassend
geregelt worden. Durch die während des Interims wiederaufgelebten altgläubigen Zeremonien war jedoch
eine Erneuerung dieser Regelungen erforderlich geworden. Herzog Christoph hatte die Kirchenordnung
seines Vaters überarbeiten lassen, damit sämtliche ungleicheit und ergerliche handlung abgeschafft würden.
An diese neue Kirchenordnung sollten sich sämtliche Geistlichen biß auff ein gmeine Christliche Reformation
halten.
Die Kirchenordnung wurde im Frühjahr 1553 veröffentlicht212. Am 3. Februar 1553 schrieb Pfalzgraf
Ottheinrich an Herzog Christoph, er habe gehört, dass dieser eine Kirchenordnung drucken lassen wolle.
Ottheinrich bat um ein Exemplar der Ordnung, da er ebenfalls eine neue Kirchenordnung für Pfalz-Neu-
burg aufrichten lassen wollte213. Am 6. Februar schrieb Christoph zurück, dass er tatsächlich dabei sei, seine
Kirchenordnung in Druck zu geben. Wenn dies abgeschlossen sei, wolle er Ottheinrich ein Exemplar zusam-

207 Eberl, Klosterschule, S. 24. Vgl. Grube, Klöster,
S. 143.
208 Deetjen, Studien, S. 128; Reformation in Württem-
berg, S. 117.
209 Sehling, EKO VI/1, S. 262-277; vgl. Kreiker,
Armut, S. 62 Anm. 229.

210 Sehling, EKO XIV, S. 443ff.; vgl. Deetjen, Studien,
S. 320 Anm. 191.
211 Brecht/Ehmer, Reformationsgeschichte, S. 311ff.
212 Reformation in Württemberg, S. 116f., 150; Matthes,
10 Briefe, S. 149f.; Kolb, Gottesdienst, S. 4f., 305ff.;
Waldenmaier, Gottesdienstordnungen, S. 73-79.
213 Ernst, Briefwechsel II, Nr. 39 S. 40.

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