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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Bergholz, Thomas [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (16. Band = Baden-Württemberg, 2): Herzogtum Württemberg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2004

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https://doi.org/10.11588/diglit.30655#0072
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Württemberg

42. Große Kirchenordnung [Mitte Mai] 1559 (Text Vorrede S. 344)
Seit seinem Amtsantritt 1550 hatte Herzog Christoph die evangelische Neuordnung der württembergischen
Kirche vorangetrieben. Vor allem in den Jahren 1552 und 1553 hatte er zahlreiche Regelwerke veröffent-
licht. 1555 ließ er sämtliche bis dahin entstandenen Gesetzestexte zusammenstellen, um sie Kurfürst Fried-
rich II. von der Pfalz zu übersenden315. Möglicherweise war dessen Anfrage ein erster Anstoß, die zahlrei-
chen Ordnungen zu bündeln, zu überarbeiten und 1559 in einem umfangreichen Sammelwerk zum Teil
erstmals im Druck zu veröffentlichen316. Für den Titel und das Inhaltsverzeichnis des 270 Seiten umfassen-
den Ordnungswerks ist ein Entwurf überliefert, an dem Herzog Christoph selbst mitgearbeitet hat317. Eine
Vorrede lehnte der Herzog zunäehst ab, entschloss sich aber, wie der Druck zeigt, schließlich doch dazu.
Sein Vorschlag für einen Titel318 wurde letztlich nicht berücksichtigt.
Die Verfasserschaft der Großen Kirchenordnung lässt sich nur schwer bestimmen. Wahrscheinlich wurde
die Ordnung von Brenz als dem führenden Theologen in Württemberg zusammengestellt und ausgearbeitet,
möglicherweise unter Mitarbeit des späteren Kirchenratsdirektors Kaspar Wild319. Sicher ist, dass Brenz die
Ordnung überarbeitete, wie aus einem Schreiben Herzog Christophs vom 7. April 1559 hervorgeht320. Fest
steht auch, dass Brenz, Valentin Vannius, Sebastian Hornmold und Kaspar Wild die Schulordnung mitein-
ander beraten haben321. Für die anderen Teile der Großen Kirchenordnung sind ebenfalls größere Berater-
gremien zu vermuten. Auch die Mitarbeit des Herzogs, besonders bei den Bestimmungen über die Visita-
tion, gilt als wahrscheinlich.
Die Veröffentlichung der Großen Kirchenordnung erfolgte nach dem 9. Mai 1559, da der Konsisto-
rialsekretär Lorenz Schmidlin322 an diesem Tag wegen der Kirchenordnung zur Druckerei Georg Gruppen-
bachs nach Tübingen geschickt wurde323. Eines der ersten gedruckten Exemplare sandte Herzog Christoph
am 19. Mai an Kurfürst Friedrich III., der mittlerweile die Erbfolge in der Kurpfalz angetreten hatte, und
an Herzog Wolfgang von Zweibrücken324. Die Vervielfältigung und Verteilung der Großen Kirchenordnung
von 1559 erfolgte während des Sommers 1559. Für die Monate August und September 1559 finden sich
zahlreiche Posten in der Kirchenkastenrechnung, die die Aufwendungen für 700 Exemplare bei Georg Grup-
penbach in Tübingen und beim Buchbinder Michel Hermann in Stuttgart dokumentieren325.
Das umfangreiche Ordnungswerk wird mit der Confessio Virtembergica von 1552-der Bekenntnis-
schrift der württembergischen Kirche - eingeleitet, worauf die einzelnen Ordnungen folgen326:

315 Ernst, Briefwechsel III, Nr. 187 S. 356f.
316 Vgl. Reformation in Württemberg, S. 166ff., 265f.;
Brecht/Ehmer, Reformationsgeschichte, S. 337ff.;
Rauscher, Zur Entstehung, S. 171-177; Hartmann,
Brenz, S. 230-235; Hermelink, Evangelische Kirche,
S. 92-97.
317 HStA Stuttgart A 63 Bü 24a. Vgl. Reformation in Würt-
temberg, S. 267; Ernst, Kirchengut, S. 419 Anm. 3.
318 Unser, Christoffs, von gottes gnaden herczog zu Wurtem-
perg und zu Teck, graven zu Mumpelgart etc. confession, so
wir uff dem versamleten concilio zu Trient uberantworten
lassen und daruff gevolgter und gestelter unser kirchenord-
nung, derselbigen diener, gmainer particular, clauster und
unserer stipendiaten auch mans- und frawen clauster, der
sectarien, eegericht, armencasten, superintendentz, censur
und anderer nottwendige der gemayn kirchengeschefften
halber ordnungen und consistorien, so von der zeitt unser
angender regierung in unserm furstenthumb und unserer

oberkeit bis anher gelert, gehalten, gebraucht und geubt wor-
den und furthin noch gelert, gehalten, gebraucht und geubt
soll werden.
319 Schoss, Konsistorien, S. 99; Brecht, Ordnung, S. 49
Anm. 139.
320 HStA Stuttgart A 63 Bü 16; vgl. Brecht, Ordnung,
S. 49.
321 Geschichte des humanistischen Schulwesens, S. 509-512.
322 Zu Lorenz Schmidlin siehe Bernhardt, Zentralbehör-
den, S. 619f.
323 Ernst, Briefwechsel IV, Nr. 566 S. 650 Anm. 1.
324 Ernst, Briefwechsel IV, Nr. 565 S. 650.
325 Ernst, Briefwechsel IV, Nr. 566 S. 650 Anm. 1.
326 In die Edition wurden unter Nr. 42a-42k lediglich die im
engeren Sinne kirchenordnenden Texte aufgenommen.
Auf die Confessio Virtembergica wurde verzichtet, da es
sich dabei nicht um einen normierenden Text handelt.

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