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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Arend, Sabine [Bearb.]; Bergholz, Thomas [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (16. Band = Baden-Württemberg, 2): Herzogtum Württemberg — Tübingen: Mohr Siebeck, 2004

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https://doi.org/10.11588/diglit.30655#0108
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Württemberg

radt erlaubt, sonder mag woll allein dahin verstan-
den werden, als ob Paulus den glaubigen freyet, das
er dem unglaubigen, so sich selbs schaidet, nicht
schuldig sey nach zu folgen und beywonung zuthon.
Dan wo das solt gelten, so wurde man zu diser Zeit
eleut, under welchen der Man bapstisch und dero-
halb unglaubig geacht, das weyb aber evangelisch
und glaubig, erfinden und der Man das weyb des
glaubens halb nicht bey sich leiden wolt. So wurde
vermüg des andern teyls verstand im angezognen
spruch Pauli26 das weyb ein andern hayradt furne-
men dorffen und demnach ein solch abwechseln mit
Man und weyb werden, als man sagt, das zu Mün-
ster bey den widdertauffern ergangen sey27. Darumb
wollen sie nicht radten, das der bleybenden person
der ander hayradt erlaubt, biß sie des andern Ehe-
gmahels todt nach rechtlicher ordnung vergwist
werde.
Wan aber der ersten verstand unnd mainung als
der gwissesten unnd bestendigsten gevolgt und der
bleibende person der ander hayradt erlaubt werden
wolt, so erfordert die nodturfft, alle verwirrung, so
sich hier in begeben mogen, zuverhuetten, das des
hendels umbstend vorhin auff das fleyssigst bedacht
unnd erwegen wurden, nemlich:
Ob die hinweg geloffne person mit wissen und
willen der andern hinweg geloffen sey oder nicht.
Item, ob die hinweg geloffne person auß schuld
oder ursach der bleibenden person hinwegk gloffen
sey oder nit.
Item, ob die hinweg gloffne person an andern
orten zufinden und zu betretten28 sey oder nit.
|264v|
Item, ob die bleybend person etlich bestimpte
Jar auff das endtloffen gwartet hab oder nit.
Item, ob die bleybendt person sich hie zwischen
eerlich gehalten hab oder nit.
Item, das die bleybendt person vorhin von der
hinwegkgloffnen an den orten, da sie zu betretten
oder so sie nicht zu betretten, bey ir, der bleibenden

π In Auten[tici] de Nup[tiae] § per occasione [Nov. 22,6,
ClCiv III, S. 150f.] In Auten[tici] ut licent Matri et Au-
rae § praedig[tis] [Nov. 117,12, ClCiv III, S. 562],
26 1Kor 7.11.

person herschafft, ordenlich nach anweysung der
rechten geschiden sey.
Item, das die entloffne person, so sie widerumb
nach dem zu gelassenen hayradt der bleibenden per-
son ergriffen, gestraft unnd uff das wenigst des
lands ewigklich verwisen wurde.
Item, das furkomen werde, damit die entloffne
person die bleibende nach dem zugelassenen hayradt
nicht mache unruwig an den obergerichten.
So nun auß gnugsamer bestendiger kundtschaft be-
zeugt, das die hinweg gloffne person on wissen und
willen, auch on schuld der bleybenden person ent-
loffen und nicht an gwissen orten zu begreyffen,
auch die bleybend person hie zwischen etlich be-
stimpt Jar gewartet und sich erbarlich gehalten
hatt, so mag sie ordenlich nach anweysung der
Rechten von der abwesenden person der gstalt
gschiden, das die abwesendt furthin nicht mer ge-
hort, sonder wo sie betretten, gestraft, mit der blei-
benden aber des andern hayradts halben obgeschrib-
ner weyß wie im fall des Ehebruchs gehalten werde.
Weytter wurdt auch im fall der naturlichen un-
duchtigkayt des mans gefragt, ob die Ehe von der
selben ursach wegen geschiden und dem weyb ein
andern man zu nemen erlaubt werden soll. In disem
fall ist zu erkundigen, ob die unduchtigkeit auß na-
tur vor dem beyschlaffen oder auß Zauberey nach
dem beyschlaffen | 265r | entstanden sey, was nun in
beyden stucken zu urteylen, das geben die kayser-
lichen recht29 clerlich und außdrucklich, nach wel-
chen auch solch sach billich zu richten ist.
Es wurdt ferrer in den genotigten Ehe gefragt,
ob die selben bestendig seyen. Nach dem aber die
bewilligung uff beiden seytten als ein nottig stuck zu
der Ehe erfordert wurdt, so bedarf es darin keiner
Eheschidung, sonder allein der erkantnus, das sie
genotigt und dero halben nie kein Ehe gewesen
seyπ.

27 Gemeint ist die Polygamie der Täufer im Täuferreich
1534/35.
28 Anzutreffen, vgl. Grimm, DWb 1, Sp. 1713.
29 Cod. Just. 5,17,10, ClCiv II, S. 213; Nov. 22,6,
ClCiv III, S. 150f.

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