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Wolgast, Eike [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Kirchenrechtliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland [Hrsg.]; Sehling, Emil [Begr.]; Dörner, Gerald [Bearb.]
Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts (20. Band = Elsass, 2. Teilband): Die Territorien und Reichsstädte (außer Straßburg) — Tübingen: Mohr Siebeck, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.30662#0297
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22. Agende 1564

gen widerumb uf. Hilff dir nun selber und styg her-
ab vom crütz. Desselben glychen die hohen Priester
verspottetend in undereinander sampt den ge-
schrifftgeleerten unnd sprachend: Er hat anderen
geholffen, kan im selber nit helffen. Christus, der
Künig von Israhel, styge nun härab von dem crütz,
das wir sähind und glaubind. Und die mit im ge-
crütziget warend, schaltend in auch. Unnd do es
umb die sechßt stund kam, ward ein finsternüß über
das gantz land biß umb die nündte stund. Und umb
die nündte stund rufft Jesus lut und sprach: Eli, eli,
lamasabathani? das ist verdolmetschet: Min Gott,
min Gott, warumb hast du mich verlassen? Und et-
lich, die daby stundend, do sy das hortend, spra-
chend sy: Sihe, er rufft dem Helias. Do lieff einer
und füllet einen schwumm mit essich unnd steckt in
uff ein ror und trenckt in unnd sprach: Lassend uns
sehen, ob Helias komme unnd in härab nemme.
Aber Jesus schrey lut und gab den geist uf. Unnd
der fürhang im tempel zerreyß in zwey stuck von
oben an biß unden uß.

Uß dem Evangelio Joannis XIX [16-30]: ]B 5r|
Sy namend aber Jesum an und fürtend in hin. Und
er trug sin crütz und gieng ußhin an das ort, sche-
delstatt genannt, uff Hebreisch aber Golgatha. Da-
selbst crützigetend sy in und mit im zwen ander uff
beiden syten, Jesum aber mitten inn. Pilatus aber
schreib ein übergschrifft und satzt sy uff das crütz,
unnd was geschriben: Jesus von Nazareth, der Ju-
den künig. Dise übergeschrifft lasend vil Juden,
dann das ort, da Jesus creütziget ward, war nach by
der statt. Unnd es ward geschriben uff Hebreisch,
Griechisch und Latinisch spraach. Do sprachend die
Hohenpriester der Juden zum Pilato: Schryb nit:
der Juden Künig, besunder, das er gesagt hab: Ich
bin der Juden künig. Pilatus antwortet: Was ich ge-
schriben hab, das hab ich geschriben. Die kriegß-
knecht aber, do sy Jesum crütziget hattend, namend

68 Ps 22,19.
69 Ps 22,16.
70 Vgl. Joh 10,11.

sy sine kleider unnd machtend vier teil, einem yegk-
lichen kriegsknecht ein teil, darzu auch den rock.
Der rock aber was yngenäyet, von oben an gewür-
cket durch und durch. Do sprachend sy undereinan-
der: Lassend uns den nit zerteilen, besunder darumb
lossen, weß er syn sölle. Uff das erfüllet wurde die
geschrifft, die da sagt: Sy habend mine kleider under
sich geteilt und habend über minen rock das loß ge-
worffen68. Sölchs thetend die kriegsknecht. Es stund
aber by dem crütz Jesu sin muter und siner muter
schwester Maria Cleophas und Maria Magdalene.
Do nun Jesus sin muter sach und den jünger daby
ston, den er lieb hat, spricht |B 5v] er zu siner muter:
Wyb, sihe, das ist din sun. Darnach spricht er zu
dem jünger: Sihe, das ist din müter. Unnd von stund
an nam sy der jünger zu im. Darnach, als Jesus
wußte, das schon alles vollbracht was, damit die ge-
schrifft erfüllet wurd, spricht er: Mich dürstet69. Da
stund ein geschirr voll essichs; sy aber fülletend ein
schwumm mit essich und legtend in umb ein Isopen
und hieltend im dar zum mund. Do nun Jesus den
essich genommen hat, sprach er: Es ist vollbracht,
und neiget das haupt und gab den geist uf.
Vermanung
Ir lieben, wie ir gehört habend, söllend auch wir by
uns gedencken die unußsprechlich barmhertzigkeit
Gottes, wie der himmelisch Vatter hat sinen einge-
bornen Sun für uns in den schmächlichsten tod des
crützes gegeben, unnd der hirt ist gestorben für die
schäflin70, das haupt für die glider71, ja der unschul-
dig für die sünder72; und der oberst Priester hat sich
selbs uß unsäglicher liebe gegen uns dem Vatter fur
uns zu einem brünnenden opffer ufgeopfferet unnd
also mit sinem blut unser pündtnuß mit Gott, dem
vatter, gnugsamlich versichert und versiglet73; deß-
halb wir söliche sin grosse gutthat in ewiger frischer
gedächtnuß behalten unnd in für unnd für loben söl-
lend.

71 Vgl. Kol 1,18.
72 Vgl. 2Kor 5,21.
73 Vgl. Hebr 9,14-15.

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