Einleitung
wurden in die Steuerpflicht genommen, durften keine Novizen mehr aufnehmen und hatten die Wertgegen-
stände dem Magistrat auszuhändigen.36 Die Konvente der beiden landständischen Stifte St. Martin sowie
St. Mauritius und Simeon verließen daraufhin 1530 die Stadt, und auch der Konvent des Johannisstifts
ging ins Exil. Im Jahr darauf strengten die Vertreter aller drei Institutionen vor dem Reichskammergericht
einen Prozess gegen die Stadt Minden an.37
Anders als die drei Stifte unterzeichneten Prior, Subprior und der Konvent des Dominikanerkonvents
am 27. Januar 1530 eine Verschreibung gegenüber der Stadt, in der sie erklärten, dass sie der „cristligen
ordinantien na trachten“ wollten, was möglicherweise die Annahme der Mindener Kirchenordnung, in
jedem Fall aber die Aufgabe ihres klösterlichen Lebens bedeutete. Der Konvent verpflichtete sich ferner,
keine Novizen mehr aufzunehmen, die Siegel und Briefe über die Klostergüter dem Rat und den Vierzigern
zugänglich zu machen sowie in der Klosterkirche keine Predigten zu halten, die der Gemeinde „nycht
gefellich“ seien. Schließlich überließen sie der Stadt einige Gebäude und Bauplätze.38 Noch im gleichen Jahr
richtete der Mindener Rat in den Konventsgebäuden eine evangelische Lateinschule ein, die in den 1550er
Jahren, namentlich unter dem Rektorat des Melanchthonschülers Hermann Huddaeus (1518-1575), Bedeu-
tung erlangte.39
Das Vorgehen gegen die Klöster und Stifte und damit der Beginn der Reformation erfolgte zu einer Zeit,
als der Mindener Bischofsstuhls vakant war: Im November40 1529 war Bischof Franz I. gestorben, worauf-
hin zwei politische Lager um die Nachfolge stritten: Herzog Heinrich von Braunschweig-Wolfenbüttel, der
Bruder des verstorbenen Bischofs, favorisierte seinen Sohn Philipp Magnus, wohingegen Herzog Jo-
hann III. von Kleve und der Kölner Erzbischof Hermann von Wied Franz von Waldeck41 als Mindener
Bischof sehen wollten. Das Domkapitel wählte am 10. Februar 1530 schließlich Franz von Waldeck. Am 1.
Juni 1532 wurde Franz II. zudem Bischof von Münster und zehn Tage später auch von Osnabrück. Im
Bistum Minden amtierte er fortan als Administrator, allen drei Bistümern stand er bis 1553 vor.42
Nicht nur die Anfänge der Reformation fielen für die Protestanten günstig in den Zeitraum der Sedis-
vakanz, auch die Konsolidierung der neuen Lehre konnte in einer Phase vollzogen werden, in der der
Bischof aufgrund seiner drei Ämter nur wenig in Minden präsent war. Vor allem die radikale Täuferherr-
schaft in Münster (1534/35) zog seine Aufmerksamkeit von der sich in Minden ausbreitenden Reformation
ab.
36 Nordsiek, Anfänge, S. 61-64; ders., Von Lüchow, S. 58;
Krieg, Geschichte des Bistums, S. 59f.; Brecht, Refor-
mation, S. 22; Schulte, Macht auf Zeit, S. 113f.; Eh-
brecht, Form und Bedeutung, S. 145f.; Schröder,
Einführung, S. 18-20; Wilms, Geschichte, S. 32f.; Pless,
Einführung, S. 14-16.
37 Nordsiek, Anfänge, S. 67-72.
38 Krieg, Geschichte des Bistums, S. 60; ders., Einführung,
S. 47f.; Lohrum, Minden - Dominikaner, S. 630; Kühn,
Religionsprozesse, S. 103; Wilms, Geschichte, S. 32
Anm. 61, S. 34 Anm. 65; Nordsiek, Anfänge, S. 69f.;
Minden 1530, S. 35 Nr. 2.
39 Krieg, Einführung, S. 50; Bruning, Konfessionalisie-
rung, S. 88-90; Nordsiek, Beiträge zur Geschichte,
S. 305-313; ders., Anfänge, S. 70; ders., 450 Jahre,
S. 107-113; Lohrum, Minden - Dominikaner, S. 630;
Stupperich, Bedeutung, S. 103.
40 Über den Todestag herrscht keine Einigkeit. Aschoff,
Franz, S. 193 und Nordsiek, Glaube und Politik, S. 15
geben den 25. November an, Krieg, Einführung, S. 44,
Ehbrecht, Form und Bedeutung, S. 144 Anm. 196 nen-
nen den 29. November.
41 Zu Franz II. von Waldeck siehe Behr, Graf Franz von
Waldeck, bes. S. 1-11; ders., Franz von Waldeck 1,
S. 14-30; ders., Franz von Waldeck (um 1491-1553),
S. 38-62; Hüsing, Kampf, S. 1-8; Gillner, Freie Her-
ren, S. 73-85; Hoffmann, Adel, S. 117-120; Schröer,
Franz, S. 190-192; Nordsiek, Glaube und Politik,
S. 24-31; Sehling, EKO VII/1, S. 214-221; Wolgast,
Hochstift, S. 100 Anm. 1; Olpp, Stellung, S. 37-39;
Brandt/Hengst, Victrix Mindensis ecclesia, S. 55-58.
42 Wolgast, Hochstift, S. 100-110, 129f.; Ehbrecht,
Form und Bedeutung, S. 146; Krieg, Geschichte des Bis-
tums, S. 50.
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wurden in die Steuerpflicht genommen, durften keine Novizen mehr aufnehmen und hatten die Wertgegen-
stände dem Magistrat auszuhändigen.36 Die Konvente der beiden landständischen Stifte St. Martin sowie
St. Mauritius und Simeon verließen daraufhin 1530 die Stadt, und auch der Konvent des Johannisstifts
ging ins Exil. Im Jahr darauf strengten die Vertreter aller drei Institutionen vor dem Reichskammergericht
einen Prozess gegen die Stadt Minden an.37
Anders als die drei Stifte unterzeichneten Prior, Subprior und der Konvent des Dominikanerkonvents
am 27. Januar 1530 eine Verschreibung gegenüber der Stadt, in der sie erklärten, dass sie der „cristligen
ordinantien na trachten“ wollten, was möglicherweise die Annahme der Mindener Kirchenordnung, in
jedem Fall aber die Aufgabe ihres klösterlichen Lebens bedeutete. Der Konvent verpflichtete sich ferner,
keine Novizen mehr aufzunehmen, die Siegel und Briefe über die Klostergüter dem Rat und den Vierzigern
zugänglich zu machen sowie in der Klosterkirche keine Predigten zu halten, die der Gemeinde „nycht
gefellich“ seien. Schließlich überließen sie der Stadt einige Gebäude und Bauplätze.38 Noch im gleichen Jahr
richtete der Mindener Rat in den Konventsgebäuden eine evangelische Lateinschule ein, die in den 1550er
Jahren, namentlich unter dem Rektorat des Melanchthonschülers Hermann Huddaeus (1518-1575), Bedeu-
tung erlangte.39
Das Vorgehen gegen die Klöster und Stifte und damit der Beginn der Reformation erfolgte zu einer Zeit,
als der Mindener Bischofsstuhls vakant war: Im November40 1529 war Bischof Franz I. gestorben, worauf-
hin zwei politische Lager um die Nachfolge stritten: Herzog Heinrich von Braunschweig-Wolfenbüttel, der
Bruder des verstorbenen Bischofs, favorisierte seinen Sohn Philipp Magnus, wohingegen Herzog Jo-
hann III. von Kleve und der Kölner Erzbischof Hermann von Wied Franz von Waldeck41 als Mindener
Bischof sehen wollten. Das Domkapitel wählte am 10. Februar 1530 schließlich Franz von Waldeck. Am 1.
Juni 1532 wurde Franz II. zudem Bischof von Münster und zehn Tage später auch von Osnabrück. Im
Bistum Minden amtierte er fortan als Administrator, allen drei Bistümern stand er bis 1553 vor.42
Nicht nur die Anfänge der Reformation fielen für die Protestanten günstig in den Zeitraum der Sedis-
vakanz, auch die Konsolidierung der neuen Lehre konnte in einer Phase vollzogen werden, in der der
Bischof aufgrund seiner drei Ämter nur wenig in Minden präsent war. Vor allem die radikale Täuferherr-
schaft in Münster (1534/35) zog seine Aufmerksamkeit von der sich in Minden ausbreitenden Reformation
ab.
36 Nordsiek, Anfänge, S. 61-64; ders., Von Lüchow, S. 58;
Krieg, Geschichte des Bistums, S. 59f.; Brecht, Refor-
mation, S. 22; Schulte, Macht auf Zeit, S. 113f.; Eh-
brecht, Form und Bedeutung, S. 145f.; Schröder,
Einführung, S. 18-20; Wilms, Geschichte, S. 32f.; Pless,
Einführung, S. 14-16.
37 Nordsiek, Anfänge, S. 67-72.
38 Krieg, Geschichte des Bistums, S. 60; ders., Einführung,
S. 47f.; Lohrum, Minden - Dominikaner, S. 630; Kühn,
Religionsprozesse, S. 103; Wilms, Geschichte, S. 32
Anm. 61, S. 34 Anm. 65; Nordsiek, Anfänge, S. 69f.;
Minden 1530, S. 35 Nr. 2.
39 Krieg, Einführung, S. 50; Bruning, Konfessionalisie-
rung, S. 88-90; Nordsiek, Beiträge zur Geschichte,
S. 305-313; ders., Anfänge, S. 70; ders., 450 Jahre,
S. 107-113; Lohrum, Minden - Dominikaner, S. 630;
Stupperich, Bedeutung, S. 103.
40 Über den Todestag herrscht keine Einigkeit. Aschoff,
Franz, S. 193 und Nordsiek, Glaube und Politik, S. 15
geben den 25. November an, Krieg, Einführung, S. 44,
Ehbrecht, Form und Bedeutung, S. 144 Anm. 196 nen-
nen den 29. November.
41 Zu Franz II. von Waldeck siehe Behr, Graf Franz von
Waldeck, bes. S. 1-11; ders., Franz von Waldeck 1,
S. 14-30; ders., Franz von Waldeck (um 1491-1553),
S. 38-62; Hüsing, Kampf, S. 1-8; Gillner, Freie Her-
ren, S. 73-85; Hoffmann, Adel, S. 117-120; Schröer,
Franz, S. 190-192; Nordsiek, Glaube und Politik,
S. 24-31; Sehling, EKO VII/1, S. 214-221; Wolgast,
Hochstift, S. 100 Anm. 1; Olpp, Stellung, S. 37-39;
Brandt/Hengst, Victrix Mindensis ecclesia, S. 55-58.
42 Wolgast, Hochstift, S. 100-110, 129f.; Ehbrecht,
Form und Bedeutung, S. 146; Krieg, Geschichte des Bis-
tums, S. 50.
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