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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2005 — 2006

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I. Das Geschäftsjahr 2005
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Wissenschaftliche Sitzungen
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Sitzung der Math.-nat. Klasse am 11. Juni 2005
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Mosbrugger, Volker: Out of Africa - Muster und Ursachen der frühen Expansionen der Menschen
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https://doi.org/10.11588/diglit.67593#0063
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76 | SITZUNGEN

heute mit weit über 6 Milliarden Individuen weltweit verbreitet ist, über 6500 ver-
schiedene Sprachen spricht und dennoch zu einer einzigen Art und Unterart Homo
sapiens gehört. Wie es im Rahmen der natürlichen, biologischen Evolution der
Organismen zu dieser Dominanz nur einer Unterart des Menschen kommen konn-
te, ist bis heute ungeklärt.
Die Grunddaten sind gleichwohl bekannt. Vor etwa 6-8 Millionen Jahren ent-
standen in Afrika die „Echten Menschen“ (Homininen) als eine Abspaltung von der
Entwicklungslinie, die zu den modernen Menschenaffen führt. Ein besonders
bekannter früher Vertreter dieser Menschenlinie ist „Lucy“ (Australopithecus afaren-
sis), erstmals beschrieben aus dem Afar-Dreieck in Äthiopien, aufrechtgehend und
zwischen 4 und 3 Millionen Jahre alt. Die ältesten Vertreter der Gattung „Homo“
erscheinen ebenfalls zuerst in Afrika vor etwa 2,5 bis 2 Millionen Jahren, wenig spä-
ter beginnt aber schon die erste „Auswanderung“. So sind aus Dmamsi in Georgien
etwa 1.7 Millionen Jahre alte Reste von Menschen des Typs Homo habilis/Homo
erectus bekannt. Aus dieser „Erectus-Linie“ gehen wohl auch der „Heidelberger
Mensch“ (Homo heidelbergensis, ca. 600 000 — 100 000 Jahre alt) und der Nean-
derthaler (Homo neanderthalensis, ca. 200 000 — 30 000 Jahre vor heute) hervor, des-
sen Entdeckung sich dieses Jahr zum 150. Male jährt. Wiederum in Afrika erschei-
nen dann vor etwa 170 000 Jahren die ersten „anatomisch modernen Menschen“
(Homo sapiens), doch bereits ab 120 000 Jahren setzt eine erneute „Auswanderung“
aus Afrika em. Schrittweise vollzieht sich anschließend die erfolgreiche Besiedlung
der gesamten Erde durch den modernen Menschen, zugleich aber auch die Verdrän-
gung aller anderen Menschen-Arten, wie etwa des Neanderthalers oder des erst
2003 von der indonesischen Insel Flores bekannt gewordenen Homo floresiensis
(100 000 - 12 000 Jahre vor heute).
Offenbar findet also die biologische Evolution des Menschen primär in Afrika
statt; ausgehend von ihrem afrikanischen Entwicklungsort erobern verschiedene
menschliche Entwicklungsstufen die anderen Kontinente, aber lediglich Homo
sapiens gelingt eine weltweite Besiedlung und die Verdrängung anderer Homo-
Arten — dies ist der Kern der sogenannten „Out of Africa — Hypothese“. Damit stellt
sich natürlich die Frage, warum, wann und auf welchen Wegen die frühen Menschen
Afrika verließen und neue Kontinente eroberten. Systematisch und umfassend ist
dieses Problem bisher noch nicht angegangen worden. Man darf annehmen, dass die
ersten Auswanderungen dem Muster anderer Tierwanderungen folgten und primär
durch Umweltveränderungen (z.B. Klima-, Vegetationswandel) ausgelöst wurden.
Für die späteren Wanderungen und Expansionen des Menschen waren vermutlich
jedoch auch kulturell-technische Neuentwicklungen wichtig, da sie die Überwin-
dung ökologisch-klimatischer Barrieren und die Eroberung auch ungünstiger
Lebensräume ermöglichten. Anhand dieser Out of Africa Expansionen des Men-
schen sollte somit auch die Entwicklung des Menschen (oder der verschiedenen
Menschen-Arten) als Kulturwesen rekonstruiert werden können: es muss letztlich
der Zeitpunkt identifiziert werden, wann es dem Menschen gelingt, durch kulturell-
technische Errungenschaften seine biologisch-ökologisch determinierten Arealgren-
zen zu verlassen.
 
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