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SITZUNGEN
Texte aber zugleich auch die Relevanz der jüdischen Vorstellungen für die Christen
insbesondere laikaler Schichten.
Das Aufkommen dieser deutschen Literaturgattung im 14. Jahrhundert hängt
mit dem Aufschwung der religiösen Laienbildung in dieser Zeit zusammen. Die ver-
tiefte Beschäftigung der Laien mit der Heiligen Schrift stellte eine entscheidende
Voraussetzung für das Entstehen der deutschen Adversus-Judaeos-Literatur dar. Das
jüdische Verständnis der biblischen Schriften des — aus christlicher Sicht - ‘Alten
Testaments’ erregte in einem solchen Klima offenbar mehr als je zuvor Interesse und
zugleich auch Anstoß. Die Nichtanerkennung der christlichen Exegese durch die
Juden stellte den Anspruch Christi, das Gesetz und die Propheten erfüllt zu haben,
und damit die Wahrheit des Neuen Testaments grundsätzlich in Frage. Die Entste-
hung eines umfangreichen Schrifttums adversus Judaeos in deutscher Sprache seit
dem 14. Jh. läßt erkennen, daß aus der Sicht vieler Zeitgenossen hier eine argumen-
tative Auseinandersetzung erforderlich war. Daher ist eine Korrektur der Vorstellung
notwendig, daß die diskriminierte jüdische Minderheit keinen nennenswerten Ein-
fluß auf die christliche Mehrheit ausüben konnte.
Öffentliche Gesamtsitzung in Freiburg am 22. Oktober 2005
GRUßWORT DES REKTORS DER UNIVERSITÄT FREIBURG
PROF. DR. WOLFGANG JÄGER
Sehr geehrter Herr Präsident Graf Kielmansegg,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
zur auswärtigen öffentlichen Sitzung der Heidelberger Akademie der Wissenschaften
heiße ich Sie an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg sehr herzlich willkommen!
Es ist uns eine besondere Ehre, die Mitglieder einer der bedeutendsten deutschen
Wissenschaftsorganisationen bei uns begrüßen zu dürfen. Ihre Mission, die Pflege des
wissenschaftlichen Gespräches und des Austauschs zwischen hochqualifizierten Wis-
senschaftlerinnen und Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen, Fakultäten und
Universitäten, hat heute eine größere Bedeutung denn je. Interdisziplinarität und
grenzüberschreitende Fragestellungen sind ein wesentlicher Motor wissenschaftli-
cher Erkenntnis, denn gerade an den Rändern der Disziplinen sind oft weitreichen-
de Fortschritte zu erzielen.
Auch die Universität Freiburg unternimmt alle Anstrengungen, um Fach- und
Fakultätsgrenzen zu überwinden sowie die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-
ler in interdisziplinären Zentren zusammenzuführen. Die Albert-Ludwigs-Univer-
sität bietet hierfür einzigartige Voraussetzungen, denn als klassische Volluniversität mit
den traditionellen Geistes- und Naturwissenschaften, der Medizin und Theologie
verfügt sie seit einigen Jahren auch über eine überaus erfolgreiche Fakultät für Ange-
SITZUNGEN
Texte aber zugleich auch die Relevanz der jüdischen Vorstellungen für die Christen
insbesondere laikaler Schichten.
Das Aufkommen dieser deutschen Literaturgattung im 14. Jahrhundert hängt
mit dem Aufschwung der religiösen Laienbildung in dieser Zeit zusammen. Die ver-
tiefte Beschäftigung der Laien mit der Heiligen Schrift stellte eine entscheidende
Voraussetzung für das Entstehen der deutschen Adversus-Judaeos-Literatur dar. Das
jüdische Verständnis der biblischen Schriften des — aus christlicher Sicht - ‘Alten
Testaments’ erregte in einem solchen Klima offenbar mehr als je zuvor Interesse und
zugleich auch Anstoß. Die Nichtanerkennung der christlichen Exegese durch die
Juden stellte den Anspruch Christi, das Gesetz und die Propheten erfüllt zu haben,
und damit die Wahrheit des Neuen Testaments grundsätzlich in Frage. Die Entste-
hung eines umfangreichen Schrifttums adversus Judaeos in deutscher Sprache seit
dem 14. Jh. läßt erkennen, daß aus der Sicht vieler Zeitgenossen hier eine argumen-
tative Auseinandersetzung erforderlich war. Daher ist eine Korrektur der Vorstellung
notwendig, daß die diskriminierte jüdische Minderheit keinen nennenswerten Ein-
fluß auf die christliche Mehrheit ausüben konnte.
Öffentliche Gesamtsitzung in Freiburg am 22. Oktober 2005
GRUßWORT DES REKTORS DER UNIVERSITÄT FREIBURG
PROF. DR. WOLFGANG JÄGER
Sehr geehrter Herr Präsident Graf Kielmansegg,
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
meine sehr geehrten Damen und Herren,
zur auswärtigen öffentlichen Sitzung der Heidelberger Akademie der Wissenschaften
heiße ich Sie an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg sehr herzlich willkommen!
Es ist uns eine besondere Ehre, die Mitglieder einer der bedeutendsten deutschen
Wissenschaftsorganisationen bei uns begrüßen zu dürfen. Ihre Mission, die Pflege des
wissenschaftlichen Gespräches und des Austauschs zwischen hochqualifizierten Wis-
senschaftlerinnen und Wissenschaftlern verschiedener Disziplinen, Fakultäten und
Universitäten, hat heute eine größere Bedeutung denn je. Interdisziplinarität und
grenzüberschreitende Fragestellungen sind ein wesentlicher Motor wissenschaftli-
cher Erkenntnis, denn gerade an den Rändern der Disziplinen sind oft weitreichen-
de Fortschritte zu erzielen.
Auch die Universität Freiburg unternimmt alle Anstrengungen, um Fach- und
Fakultätsgrenzen zu überwinden sowie die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-
ler in interdisziplinären Zentren zusammenzuführen. Die Albert-Ludwigs-Univer-
sität bietet hierfür einzigartige Voraussetzungen, denn als klassische Volluniversität mit
den traditionellen Geistes- und Naturwissenschaften, der Medizin und Theologie
verfügt sie seit einigen Jahren auch über eine überaus erfolgreiche Fakultät für Ange-