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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2005 — 2006

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I. Das Geschäftsjahr 2005
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Wissenschaftliche Sitzungen
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Öffentliche Gesamtsitzung in Freiburg am 22. Oktober 2005
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Altherr, Rainer: Vulkane und Tsunamis
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https://doi.org/10.11588/diglit.67593#0076
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22. Oktober 2005 | 89

wird, auf das Meer oder einen See übertragen. In der Regel geschieht dies dann,
wenn große Mengen von Eruptionsprodukten rasch ins Wasser eingebracht werden,
und es dadurch zur Verdrängung großer Wassermassen kommt. Letzteres kann jedoch
auch bei subaquatischen Eruptionen geschehen, vor allem dann, wenn sich große
Magmakammern unter den Vulkanen relativ rasch entleeren, und es hierdurch zum
Einsturz der enstandenen Hohlräume kommt (Caldera-Bildung).
Tsunamis können nicht nur durch vulkanische Eruptionen, sondern auch
durch Einsturz bereits bestehender Vulkangebäude, oft als Folge von Erdbeben,
Regenfällen, Gesteinsverwitterung oder Alterationen durch vulkanische Gase, verur-
sacht werden. Dabei handelt es sich meist um sogenannte Blockströme, die sich,
Bergstürzen gleich, ms Wasser ergießen. Gerade die mit Subduktionsvorgängen ver-
knüpften Stratovulkane, die aus alternierenden Lagen fester und lockerer Gesteins-
massen bestehen, sind oft mechanisch nicht besonders stabil.
Der im Jahr 1792 durch Erdbeben verursachte Kollaps der östlichen Flanke des
Vulkans Mayuyama auf der Insel Kyushu, Japan, verursachte einen großen Block-
strom, der sich nach Osten in die Ariake-Bucht ergoss und dort einen 10 m hohen
Tsunami auslöste. Entlang eines 120 km langen betroffenen Küstenstreifens starben
15 000 Menschen; zusätzlich wurden 6 000 Häuser und 1 600 Boote zerstört.
Am 27. und 28. August 1883 ereignete sich die gewaltige Eruption des Vulkans
Krakatau, in der Sundastraße zwischen Sumatra und Java gelegen. Bei dieser in meh-
reren Phasen ablaufenden Eruption wurden insgesamt ca. 30 km3 Material ausge-
worfen, und es bildete sich eine Caldera von 6 km Durchmesser und 270 m Tiefe.
Es wird geschätzt, dass bei der Eruption eine Gesamtenergie von ca. 10’s |oule frei-
gesetzt wurde. Die Explosion war noch in 4 800 km Entfernung zu hören, und die
atmosphärische Druckwelle wanderte sieben Mal um die Erde. Es bildeten sich meh-
rere Tsunamis mit Wellenhöhen von bis zu 37 m, die größere Schiffe bis zu 2,5 km
landeinwärts schleuderte. Insgesamt wurden mehr als 250 Dörfer zerstört, und es
waren mehr als 36 000 Tote zu beklagen. Die Flutwelle wurde weltweit an ca. 20
Orten beobachtet und dokumentiert. In den letzten Jahren wurde die Ausbreitung
der Flutwelle numerisch modelliert, wobei sich vergleichsweise gute Übereinstim-
mungen zwischen berechneten und beobachteten Laufzeiten und Wellenhöhen
ergaben.
Ein deutlich länger zurückliegendes Ereignis war die bekannte „Minoische
Eruption“, die sich nach heutigem Kenntnisstand zwischen 1663 und 1599 v. Chr.
in der Ägäis ereignete. Der Einbruch der Santorin-Caldera mit einem Durchmesser
von ca. 10 km hatte einen Tsunami zur Folge, was durch entsprechende Ablagerun-
gen an der Westküste der Türkei dokumentiert ist. Obwohl wir heute wissen, dass
das Ende der Minoischen Kultur auf Kreta nicht unmittelbar durch die Vulkanerup-
tion bedingt war, ist es von Interesse, die Wirkungen des Tsunamis auf die Nord-
küste Kretas abzuschätzen. Aus numerischen Modellierungen wurde gefolgert, dass
die Flutwelle die Nordküste Kretas ca. 30 Minuten nach ihrer Entstehung erreichte
und die „run-up“ Höhen an der Küste ca. 11 m betrugen. Dies würde Eindring-
distanzen ins Land von max. 500 m bedeuten. Es ist kaum anzunehmen, dass dieses
Ereignis große Wirkung bei den Minoern hinterlassen hat.
 
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