Hermann Berger
149
Hermann Bergers eigenes wissenschaftliches Hauptinteresse freilich galt drei
noch schwer einzuordnenden Sprachen oder Sprachgruppen und ihren Beziehun-
gen untereinander: dem Baskischen, den Sprachen der Zigeuner und Doma/Roma
in Europa und Südasien und der bereits erwähnten altertümlichen Sprache
Burushaski, die sich in abgelegenen Hochtälern des Karakorum-Gebirges im Nor-
den Pakistans erhalten hat.
Es sind dies Sprachen, welche vom Entwicklungstrend größerer Sprachgrup-
pen nur wenig, teilweise auch gar nicht erfasst worden sind: auffallend isolierte Spra-
chen, deren Kontakte mit anderen Sprachen nur durch Lehnwörter belegt sind,
während strukturelle Ähnlichkeiten mit den Nachbarsprachen weitgehend fehlen
und historische Verbindungen schwer nachweisbar sind. Mit dem Baskischen hatte er
sich schon seit seinem dreimonatigen Besuch im Baskenland im Jahre 1956 beschäf-
tigt; er hat versucht, dieses in Europa sprachgeschichtlich isolierte Phänomen als
westlichen Vertreter einer Sprachgruppe zu sehen, die älter ist, als das Indogermani-
sche und von der im Osten im Burushaski em weiterer Zweig erhalten ist. Er sah
strukturelle Ähnlichkeiten dieser beiden Sprachen, konnte aber historische Bezie-
hungen nur vermuten, nicht sicher nachweisen.
Den Zigeunersprachen in Europa und Asien hat Berger jahrelang besondere
Aufmerksamkeit geschenkt. Als ihm die bereits erwähnte zweijährige Gastdozentur
am Sanskrit College der Universität Calcutta (1962—64) diese Chance bot, studierte
er die Sprache der indischen Zigeuner, beziehungsweise der wandernden Volks-
gruppen der Doma/Roma, zuerst im Nordosten Indiens, später auch im Norden
Pakistans und zusätzlich, während eines Forschungssemesters (1983—84), auch die
Sprache der Koravar in Südindien. Ihn interessierten nicht nur die Indien und Euro-
pa verbindenden sprachlichen Gemeinsamkeiten dieser nomadisierenden Stämme,
sondern auch ihre Mythen, auch ihre Folklore. Ein von Berger verfasster Beitrag
über die Mythologie der Zigeuner1 und die in seinen beiden Hauptwerken zum
Burushaski2 veröffentlichten und übersetzten Texte lassen erkennen, wie sehr er
auch an den Inhalten von Sprache und an der kulturellen Überlieferung durch das
Medium Sprache interessiert war. Einer seiner Schüler, Thomas Malten (jetzt in
Köln), hat das Interesse seines Lehrers an Zigeunern im Süden Indiens aufgegriffen
und über die Sprache der Vagri gearbeitet. Er ist es auch, der sich ernsthaft dem
Studium des Tamil zugewandt hat, was Berger schon frühzeitig als dringendes
Desiderat empfunden hatte.
Bergers größtes und dauerhaftestes Interesse galt dem Burushaski, einer alter-
tümlichen Sprache des Hunza-Gebiets im äußersten Norden Pakistans, von der sich
in abgeschiedenen Hochtälern des Karakorumgebirges drei unterschiedliche Dia-
lekte erhalten haben. Erste Nachrichten über diese Sprache gab es in Europa erst seit
dem 19. Jahrhundert. Hoch oben in den Bergen blieb sie abseits der großen
1 Mythologie der Zigeuner. In: H.W. Haussig (Hrsg.): Wörterbuch der Mythologie Abt. 1, Die
alten Kulturvölker, Stuttgart S. 775—808.
2 Siehe Anm. 3.
149
Hermann Bergers eigenes wissenschaftliches Hauptinteresse freilich galt drei
noch schwer einzuordnenden Sprachen oder Sprachgruppen und ihren Beziehun-
gen untereinander: dem Baskischen, den Sprachen der Zigeuner und Doma/Roma
in Europa und Südasien und der bereits erwähnten altertümlichen Sprache
Burushaski, die sich in abgelegenen Hochtälern des Karakorum-Gebirges im Nor-
den Pakistans erhalten hat.
Es sind dies Sprachen, welche vom Entwicklungstrend größerer Sprachgrup-
pen nur wenig, teilweise auch gar nicht erfasst worden sind: auffallend isolierte Spra-
chen, deren Kontakte mit anderen Sprachen nur durch Lehnwörter belegt sind,
während strukturelle Ähnlichkeiten mit den Nachbarsprachen weitgehend fehlen
und historische Verbindungen schwer nachweisbar sind. Mit dem Baskischen hatte er
sich schon seit seinem dreimonatigen Besuch im Baskenland im Jahre 1956 beschäf-
tigt; er hat versucht, dieses in Europa sprachgeschichtlich isolierte Phänomen als
westlichen Vertreter einer Sprachgruppe zu sehen, die älter ist, als das Indogermani-
sche und von der im Osten im Burushaski em weiterer Zweig erhalten ist. Er sah
strukturelle Ähnlichkeiten dieser beiden Sprachen, konnte aber historische Bezie-
hungen nur vermuten, nicht sicher nachweisen.
Den Zigeunersprachen in Europa und Asien hat Berger jahrelang besondere
Aufmerksamkeit geschenkt. Als ihm die bereits erwähnte zweijährige Gastdozentur
am Sanskrit College der Universität Calcutta (1962—64) diese Chance bot, studierte
er die Sprache der indischen Zigeuner, beziehungsweise der wandernden Volks-
gruppen der Doma/Roma, zuerst im Nordosten Indiens, später auch im Norden
Pakistans und zusätzlich, während eines Forschungssemesters (1983—84), auch die
Sprache der Koravar in Südindien. Ihn interessierten nicht nur die Indien und Euro-
pa verbindenden sprachlichen Gemeinsamkeiten dieser nomadisierenden Stämme,
sondern auch ihre Mythen, auch ihre Folklore. Ein von Berger verfasster Beitrag
über die Mythologie der Zigeuner1 und die in seinen beiden Hauptwerken zum
Burushaski2 veröffentlichten und übersetzten Texte lassen erkennen, wie sehr er
auch an den Inhalten von Sprache und an der kulturellen Überlieferung durch das
Medium Sprache interessiert war. Einer seiner Schüler, Thomas Malten (jetzt in
Köln), hat das Interesse seines Lehrers an Zigeunern im Süden Indiens aufgegriffen
und über die Sprache der Vagri gearbeitet. Er ist es auch, der sich ernsthaft dem
Studium des Tamil zugewandt hat, was Berger schon frühzeitig als dringendes
Desiderat empfunden hatte.
Bergers größtes und dauerhaftestes Interesse galt dem Burushaski, einer alter-
tümlichen Sprache des Hunza-Gebiets im äußersten Norden Pakistans, von der sich
in abgeschiedenen Hochtälern des Karakorumgebirges drei unterschiedliche Dia-
lekte erhalten haben. Erste Nachrichten über diese Sprache gab es in Europa erst seit
dem 19. Jahrhundert. Hoch oben in den Bergen blieb sie abseits der großen
1 Mythologie der Zigeuner. In: H.W. Haussig (Hrsg.): Wörterbuch der Mythologie Abt. 1, Die
alten Kulturvölker, Stuttgart S. 775—808.
2 Siehe Anm. 3.