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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2005 — 2006

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III. Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses: Das WIN-Kolleg
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2. Forschungsschwerpunkt "Kulturelle Grundlagen der Europäischen Einigung"
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https://doi.org/10.11588/diglit.67593#0263
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FÖRDERUNG DES WISSENSCHAFTLICHEN NACHWUCHSES

Ergänzend wird der Wandel von Unterrichtsinhalten und Lehrmethoden am
Beispiel der Artistenfakultäten verschiedener Universitäten an der Schwelle zur
Frühen Neuzeit erforscht (Daniel Götzen). Im Vordergrund steht die Frage, wie
bestehende Universitäten versuchen, neue Unterrichtsinhalte und Fächer zu inte-
grieren, dem gesteigerten Bedürfnis nach trivialer Bildung Rechnung zu tragen und
die dafür notwendigen zusätzlichen Lehrer in das bestehende Besoldungs- und
Pfründensystem zu integrieren.
Die bisherigen Forschungen konzentrieren sich auf die Hochschulen Köln,
Heidelberg, Erfurt und Leipzig. Erfurt und Köln stehen dabei beispielhaft für alte
und berühmte städtische Universitäten mit ausgeprägtem Traditionsbewußtsein, die
sich relativ plötzlich mit einer ausgeprägten Kritik an ihrem hergebrachten Unter-
richtssystem und mit der Konkurrenz von Neugründungen konfrontiert sehen. In
beiden Städten fordern Rats- und Hochschulangehörige mehrmals nachdrücklich
Reformen em, können diese aber im auf inhaltlicher und personeller Kontinuität
basierenden selbstreferentiellen System der Hochschule nicht durchsetzen.
In Heidelberg und Leipzig ist der Reformdruck größer, da der jeweilige Lan-
desherr seinen Möglichkeiten entsprechend massiv in die Selbstverwaltung der
Hochschule eingreift. Der Umbau der Hochschulen in Leipzig und Heidelberg war
vornehmlich dazu gedacht, den sich verfestigenden Territorialstaaten Kurpfalz und
Sachsen gut ausgebildetes Personal in Form von Medizinern, Juristen und Kanzlei-
beamten zur Verfügung zu stellen. Auch die Gründung einer evangelischen Territo-
rialkirche schuf einen Bedarf an theologisch, juristisch und rhetorisch gebildeten
Verwaltungsbeamten. Wichtige Statutenreformen in Leipzig und Heidelberg gingen
deshalb mit der Einführung des evangelischen Bekenntnisses einher.
Zentrales Anliegen der Forschungen ist zudem die kritische Neubewertung
des Humanismusbegriffes vor dem bildungsgeschichtlichen Hintergrund seiner
„Erfindung“ im 19. Jahrhundert. Soll der Begriff eine gewisse Trennschärfe behalten,
müssen die unter ihm zusammengefaßten Entwicklungen in Wissenschaft und Uni-
versität separat genau untersucht werden: Merkmale der Entwicklung der Hoch-
schulen jener Zeit sind die stärkere fachliche Ausdifferenzierung der Wissenschaften,
eine Re-Rhetorisierung von Wissensinhalten und Wissenserwerb, die Professionali-
sierung der Gelehrtenschaft und die damit einhergehende Verrechtlichung von
Arbeits- und Dienstverhältnissen an der Universität und darüber hinaus.
Im Anschluß an das zweite Teilprojekt werden die Spezifika europäischer Wis-
senschaftlichkeit profiliert durch vergleichende Untersuchungen zu Bildungshinter-
grund, Selbstverständnis und Außenwahrnehmung islamischer‘Wissenschaftler’, ins-
besondere iranischer Gelehrter der spät- und nachmongolischen Zeit (Susanne
Kurz). Im Zusammenhang mit der Erforschung des Umfelds des Satirikers und
Anekdotensammlers Obeyd-e Zäkäni (Iran, 14. Jh.) hat sich ergeben, daß die schar-
fe und pointierte Kritik dieses Satirikers an religiösen Autoritäten in vergleichbarer
Form auch in ungefähr zeitgleich entstandenen Dichterwerken vorzufinden ist.
Dichter waren zu dieser Zeit jedoch immer auch Gelehrte. Scharfe und pointierte
Kritik an religiösen Mißständen wurde hauptsächlich von solchen Gelehrten
geäußert, die nicht zu den beiden großen Gruppen religiöser Autoritäten der Zeit
 
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