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Sellner, Harald [VerfasserIn]; Eberhard Karls Universität Tübingen [Grad-verleihende Institution] [Hrsg.]
Klöster zwischen Krise und correctio: monastische "Reformen" im Hochmittelalterlichen Flandern — Klöster als Innovationslabore, Band 3: Tübingen, 2016

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https://doi.org/10.11588/diglit.48960#0121
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3. Die Veränderungen durch die correctio | 117

zustehende Recht auf Geleit einforderte, spielte er auf Zeit, was bereits mit einer
indirekten Ablehnung gleichzusetzen ist. Deutlicher Ausdruck dessen ist schließ-
lich im Eingreifen des Kastellans von Saint-Omer zu sehen. In seinem Handeln und
seinen Drohungen wird der Entschluss des gräflichen Hofs und der Großen der
Grafschaft offensichtlich.
Betrachtet man nun die Parallelüberlieferung, wird der von Simon dargelegte
Politikwechsel des gräflichen Hofs noch deutlicher. In seine Gesta abbatum fügte
Simon einige wichtige Dokumente ein, die in direktem Zusammenhang mit die-
sen Ereignissen stehen. Für das Jahr 1112 ist so ein Brief Bischof Johannes’ von
Therouanne an Papst Paschalis II. erhalten.499 Darin erinnert er den Papst daran,
dass Abt Lambert einst zu seiner großen Freude die Profess in Cluny abgelegt hat-
te und eine Urkunde erstellt wurde, in der Saint-Bertin Cluny übertragen wurde.
Dies, so räumt Johannes nun aber ein, sei ohne die Zustimmung der Gemeinschaft
von Sithiu und des Kapitels von Therouanne geschehen. Als nun Abt Pontius nach
Flandern gekommen sei und vom Grafen Balduin und seiner Mutter verlangt habe,
dass man ihm Geleit gewähre, als würde er zu seinem Eigentum kommen, seien
diese und die Großen, die sich zu diesem Zeitpunkt am Hof befunden hatten, be-
unruhigt worden. Sie nahmen nämlich an, dass der Abt von Cluny fortan über die
Besitzungen der Abtei verfügen wolle und nun beabsichtige zu knechten, was sie
frei glaubten.500 Johannes fährt fort und berichtet, dass ihm die Mönche von Saint-
Bertin päpstliche Privilegien von Victor II. und Urban II. vorgelegt hätten, die er
für echt erachtete und von denen er bis dahin noch keine Kenntnis hatte. Der Inhalt
dieser Urkunden habe allerdings im genauen Gegensatz zu den Bestimmungen der
gräflichen Übertragungsurkunde gestanden. Johannes bat daher Paschalis II. sich
der Sache anzunehmen, um nicht durch die Befolgung der gräflichen Urkunde das
Anathem Papst Victors und Urbans auf sich zu ziehen.501
Auf den ersten Blick mag dieser Brief verwundern, stammt er doch aus der Fe-
der jenes Bischofs, der, wie Simon zu berichten weiß, äußerst großen Anteil an der
Übertragung Saint-Bertins an Cluny hatte und als Förderer der correctio galt. In
499 B. Guerard, Cartulaire, II, S. 252-253.
500 B. Guerard, Cartulaire, II, S. 252-253: »Abbas vero Cluniacensis cum noviter ad partes nostras, visitandi
gratia ecclesias suas, venisset, Flandrensium comiti atque comitisse mandavit, quatinus cum ad ecclesiam
sancti Bertini, ut ad suam propriam, conducerent. Unde comes et comitissa et principes terre, qui curie
intererant, valde turbati, quia propter specialem ordinem ecclesie sancti Bertini collatum, abbas Clunia-
censis vellet possessiones ecclesie omnimodo sibi vindicare, et quam liberam credebant, ut liberis prediis
fundatam et liberaliter constitutam, vellet anciliare abbati Cluniacensi, tali commotatione accessus tur-
batus est.«
501 B. Guerard, Cartulaire, II, S. 253: »Quapropter vestram imploramus misericordiam, quatinus diligentia
vestre discretionis hec tanta intueatur privilegia, et ne novam servando institutionem, anathema Victoris
atque Urbani pape incurramus, vestra provideat pastoralis cura.«
 
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