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I. Der Autor
wäre freilich die Wahl der Löwener Dominikanerkirche, die wohl auch deshalb in
älteren Arbeiten als Grabort benannt wird.91
1.5. Die Bilder des Thomas von Cantimpre: Eine Würdigung
Auf die Frage, wer Thomas von Cantimpre war und wie er lebte, gibt es viele, in ers-
ter Linie vorsichtige und annähernde Antworten. Sie basieren beinahe ausschließlich
auf Angaben des Autors selbst, der in all seinen Werken, insbesondere aber in seinem
großen Spätwerk, dem „Bienenbuch“, seine eigene Person in den Mittelpunkt stellte.
Neben topischen Bescheidenheitsbekundungen fungiert dieser stetige Eigenbezug
gewissermaßen als Garant für Authentizität und Plausibilität, da die Nennung eige-
ner Erfahrungen und sogar Nachforschungen dem zusammengetragenen Erzählgut
Beweiskraft und Nachvollziehbarkeit verleiht.92 Denn obgleich Thomas von Cantim-
pre in seinem Vorwort zum „Bienenbuch“ betont hatte, durch die Verschleierung
bestimmter Angaben der Verärgerung seiner Zeitgenossen vorbeugen zu wollen,93
lassen sich etliche Geschichten regional verorten und die jeweiligen Akteure näher
bestimmen.
Neben der persönlichen Perspektive des Thomas von Cantimpre, die dem Leser
ein beachtliches Beziehungsnetz zu Nonnen und Mönchen unterschiedlicher Orden
und Klöster, aber auch zu bedeutenden Adeligen oder Geistlichen seiner Zeit vor
Augen führt,94 erscheint eine Lektüre des Bonum universale de apibus mithin auch
91 Zur These der Grablege in der Löwener Liebfrauenkirche s. Grzebien, Penance, purgatory, mysti-
cism and miracles, S. 106. Grzebien verweist für die Angaben zum Nekrolog auf die ungedruckte
Dissertatiosschrift von Anne Debroux (Thomas de Cantimpre [vers 1200-1270], L‘homme et son
ceuvre. Essai de biographie, memoire de l’Universite catholique de Louvain, Louvain-la-Neuve
1979, S. 159); sie konnte jedoch für diese Arbeit nicht eingesehen werden.
92 Zur Perspektive des Geschichtensammlers und Nachforschers vgl. Thom. Cantimpr. BUA 11,49,10:
Hec cum mihi frater ordinis predicatorum sub dubio retulisset, ego ipse in dictam urbem per-
veniens interrogavi pro viro, inveni hominem, quesivi veritatem rei. Grundlegend zur Frage der
Autorschaft: Polo de Beaulieu, L’emergence de l’auteur sowie Kapitel II.4.
93 Thom. Cantimpr. BUA prolog.: Quibus etiam capitulis secundum materiam exempla aptata et ap-
propriata coniunxi, que nostris temporibus vel prope nostra tempora contigerunt. Et ego quidem
in pluribus hoc vitavi, ul terras, civitates vel opida nominata non ponerem, in quibus rerum gesta
patrata sunt: eo quod ipsis adhuc viventibus et fugientibus hunc glorie favorem verecundiam fa-
cere formidarem. Tatsächlich bleiben an zahlreichen Stellen Namen und Orte absichtlich unge-
nannt (zumeist dann, wenn die erzählte Geschichte zum Nachteil des anonymen Protagonisten
erscheint), wie z. B. ebd., 1,3,4: De uno talium, suppresso tarnen nomine, quid actum sit, referente
quodam spirituali viro Theutonie atque probato, sic referam. S. dazu ausführlich Kapitel II.4.
sowie Burkhardt, Predigerbrüder.
94 Vgl. etwa Thom. Cantimpr. BUA 11,25,14 mit einem Beleg für ein Gespräch mit Alheidis, Gräfin
von Chartres und Blois (... illustris domina Aleidis, Carnotensium ac Blesensium comitissa, mihi
de avo suo retulit dicens ...). Vermutlich handelt es sich bei der „Erzählerin“ um Alix von Blois, die
von 1208 bis 1218 Äbtissin von Fontevrault und eine Tochter Theobalds V. („der Gute“, Graf von
I. Der Autor
wäre freilich die Wahl der Löwener Dominikanerkirche, die wohl auch deshalb in
älteren Arbeiten als Grabort benannt wird.91
1.5. Die Bilder des Thomas von Cantimpre: Eine Würdigung
Auf die Frage, wer Thomas von Cantimpre war und wie er lebte, gibt es viele, in ers-
ter Linie vorsichtige und annähernde Antworten. Sie basieren beinahe ausschließlich
auf Angaben des Autors selbst, der in all seinen Werken, insbesondere aber in seinem
großen Spätwerk, dem „Bienenbuch“, seine eigene Person in den Mittelpunkt stellte.
Neben topischen Bescheidenheitsbekundungen fungiert dieser stetige Eigenbezug
gewissermaßen als Garant für Authentizität und Plausibilität, da die Nennung eige-
ner Erfahrungen und sogar Nachforschungen dem zusammengetragenen Erzählgut
Beweiskraft und Nachvollziehbarkeit verleiht.92 Denn obgleich Thomas von Cantim-
pre in seinem Vorwort zum „Bienenbuch“ betont hatte, durch die Verschleierung
bestimmter Angaben der Verärgerung seiner Zeitgenossen vorbeugen zu wollen,93
lassen sich etliche Geschichten regional verorten und die jeweiligen Akteure näher
bestimmen.
Neben der persönlichen Perspektive des Thomas von Cantimpre, die dem Leser
ein beachtliches Beziehungsnetz zu Nonnen und Mönchen unterschiedlicher Orden
und Klöster, aber auch zu bedeutenden Adeligen oder Geistlichen seiner Zeit vor
Augen führt,94 erscheint eine Lektüre des Bonum universale de apibus mithin auch
91 Zur These der Grablege in der Löwener Liebfrauenkirche s. Grzebien, Penance, purgatory, mysti-
cism and miracles, S. 106. Grzebien verweist für die Angaben zum Nekrolog auf die ungedruckte
Dissertatiosschrift von Anne Debroux (Thomas de Cantimpre [vers 1200-1270], L‘homme et son
ceuvre. Essai de biographie, memoire de l’Universite catholique de Louvain, Louvain-la-Neuve
1979, S. 159); sie konnte jedoch für diese Arbeit nicht eingesehen werden.
92 Zur Perspektive des Geschichtensammlers und Nachforschers vgl. Thom. Cantimpr. BUA 11,49,10:
Hec cum mihi frater ordinis predicatorum sub dubio retulisset, ego ipse in dictam urbem per-
veniens interrogavi pro viro, inveni hominem, quesivi veritatem rei. Grundlegend zur Frage der
Autorschaft: Polo de Beaulieu, L’emergence de l’auteur sowie Kapitel II.4.
93 Thom. Cantimpr. BUA prolog.: Quibus etiam capitulis secundum materiam exempla aptata et ap-
propriata coniunxi, que nostris temporibus vel prope nostra tempora contigerunt. Et ego quidem
in pluribus hoc vitavi, ul terras, civitates vel opida nominata non ponerem, in quibus rerum gesta
patrata sunt: eo quod ipsis adhuc viventibus et fugientibus hunc glorie favorem verecundiam fa-
cere formidarem. Tatsächlich bleiben an zahlreichen Stellen Namen und Orte absichtlich unge-
nannt (zumeist dann, wenn die erzählte Geschichte zum Nachteil des anonymen Protagonisten
erscheint), wie z. B. ebd., 1,3,4: De uno talium, suppresso tarnen nomine, quid actum sit, referente
quodam spirituali viro Theutonie atque probato, sic referam. S. dazu ausführlich Kapitel II.4.
sowie Burkhardt, Predigerbrüder.
94 Vgl. etwa Thom. Cantimpr. BUA 11,25,14 mit einem Beleg für ein Gespräch mit Alheidis, Gräfin
von Chartres und Blois (... illustris domina Aleidis, Carnotensium ac Blesensium comitissa, mihi
de avo suo retulit dicens ...). Vermutlich handelt es sich bei der „Erzählerin“ um Alix von Blois, die
von 1208 bis 1218 Äbtissin von Fontevrault und eine Tochter Theobalds V. („der Gute“, Graf von