Metadaten

Burkhardt, Julia; Thomas; Burkhardt, Julia [Editor]
Von Bienen lernen: das "Bonum universale de apibus" des Thomas von Cantimpré als Gemeinschaftsentwurf : Analyse, Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 1): Analyse und Anhänge — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.56852#0041
License: Free access  - all rights reserved

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
40

II. Das Werk

Situationen oder Gespräcliskonstellationen verortet. Damit wird zugleich die Trans-
ferleistung des Erzähl Stoffes gewährleistet: Die zusammengetragenen Geschichten
sollen „moralisieren“, sollen also Leser oder Zuhörer unterweisen und ihnen eine
Botschaft vermitteln.2
Schon aufgrund ihrer Vielfalt sind die Themen des „Bienenbuchs“ schwer zu be-
schreiben oder zu systematisieren. Eine zusätzliche Herausforderung stellt der kom-
munikative Rahmen des Textes dar. Um das Bonum universale de apibus als Gesamt-
werk zu würdigen, ist es deshalb erforderlich, alle drei der angesprochenen Ebenen
zu behandeln: die kommunikative Funktion des exemplarischen Erzählens vor dem
Hintergrund der Erzähltraditionen des 13. Jahrhunderts, die Bedeutung der Bienen-
allegorie und schließlich der aus einem beachtlichen Themenreichtum entwickelte
Gemeinschaftsentwurf des Thomas von Cantimpre.
II.l. Narrativer Funktionskontext: Exemplarisches Erzählen
im 13. Jahrhundert
„Ich habe gehört, dass Gregor IX., bevor er Papst wurde, Legat des Apostolischen
Stuhls in der Lombardei war und dort in einer gewissen Stadt mehrere Große mitei-
nander streiten sah, die die Ausübung seines Richteramtes behinderten; der eine Teil
von ihnen erschien zu seinem Urteil über die Wiederherstellung des Friedens, wäh-
rend der andere Teil halsstarrig nicht zustimmen wollte. Als er aber den Anführer
jenes Streits exkommuniziert hatte, der allein den Frieden behinderte, und jener die
Exkommunikation verspottete, flogen viele Störche, die über den Türmen und Kami-
nen seines Hauses genistet hatten, davon und verlagerten ihre Nester auf das Haus
des anderen Anführers des genannten Streits, der bereit war, dem Mandat des er-
wähnten Legaten zu gehorchen; als dies jener Halsstarrige sah, bewegte er demütig
sein Herz, um für seine Loslösung von der Exkommunikation Sorge zu tragen und
den Willen des genannten Legaten zu erfüllen. Als er freigesprochen war, brachten
die Störche ihre Nester zu seinem Haus zurück.“3
Solche kurzen Geschichten, die mittels eines verständlichen und einprägsamen
Beispiels eine abstrakte moralische oder normative Aussage bzw. ein bestimmtes
Anliegen übermitteln und damit zugleich einen Handlungsimpuls geben wollen,

2 S. dazu die Ausführungen zum Prolog des Textes in Abschnitt II.3.1 sowie zur kommunikativen
Binnenstruktur des Textes in Abschnitt II.4.
3 Anecdotes historiques, Nr. 303, S. 255. Zu Stephan de Bourbon, dem Autor dieser Episode, s. Ber-
lioz, Introduction, S. XV-XXXI sowie die folgenden Ausführungen. Zitiert wird grundsätzlich
nach der von Berlioz verantworteten modernen Edition (CCCM). Diese ist jedoch noch nicht voll-
ständig, so dass ergänzend auf die Ausgabe von Lecoy de la Marche, die „Anecdotes historiques“,
zurückgegriffen wird.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften