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Burkhardt, Julia; Thomas; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Von Bienen lernen: das "Bonum universale de apibus" des Thomas von Cantimpré als Gemeinschaftsentwurf : Analyse, Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 1): Analyse und Anhänge — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.56852#0075
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II. Das Werk

Thomas jedoch im Widmungsbrief, dass er mit dem „Bienenbuch“ keinen natur-
kundlichen Traktat zu verfassen, sondern sein Kapitel aus dem „Buch über die Natur
der Dinge“ „einfach darzustellen und moralisch auszulegen“ gedachte.153 In der Re-
gel schließt deshalb an das Leitmotiv eine bisweilen recht kurios anmutende Kombi-
nation aus unterschiedlichen Exempeln, legendenhaften Heiligenerzählungen, Bi-
bel- und Kirchenväterzitaten oder Paraphrasen klassischer Autoren der Antike an.154
Am Schluss des Kapitels erfolgt zumeist, nicht jedoch immer in vergleichbarer Kon-
sequenz, die Projektion des jeweiligen Bienen-Themas auf Formen und Normen
menschlicher Gemeinschaften.155 Das „Bienenhafte“ am Bonum universale de api-
bus besteht also im Wesentlichen in den einleitenden Sentenzen über die Organisa-
tion des apinen Zusammenlebens. Als Besonderheit des Werks erweist sich mithin
nicht einfach die Verwendung dieser (den Zeitgenossen ohnedies weithin bekann-
ten) Allegorie, sondern vielmehr die Möglichkeit, auf diese Weise sowohl die „inter-
nen“ Verhältnisse einer Gemeinschaft aufzuzeigen als auch diese in einem breiteren
Kontext zu positionieren.
Obgleich der Umstand dieser überkategorialen Werkstruktur verschiedentlich zu
geringschätzigen Charakterisierungen und besonders zu Ratlosigkeit im Umgang mit
dem Text geführt hat,156 bietet er vor allem Ansatzmöglichkeiten für neue Lesarten.
Einen Hinweis darauf liefert einmal mehr der Autor selbst, der das Induktionspoten-
tial seines Textes und mithin die Chance, aus den beschriebenen Einzelfällen auf die
allgemeine Aussage des Werkes zu schließen, im Widmungsbrief unterstrich.157 So
erkläre sich auch der Werkstitel - das „Gemeingut von den Bienen“ (bonum univer-
sale de apibusf Eine topische Bitte an die Leser, den Autor in ihre Gebetshandlungen
einzuschließen, rundet diese Passage über die Anwendbarkeit des Werkes ab. Mit der
Adressierung des Dominikanerordens, der genauen Darlegung seiner eigenen Ar-
beitsweise und der Erläuterung der narrativen Funktion des Gesamtwerks rückte
Thomas von Cantimpre gezielt die thematische Vielschichtigkeit und das Transferpo-
tential seines Bonum universale de apibus in den Mittelpunkt. Damit offenbarte er
selbst einen Zugang zu dem umfassenden Text: Bei aller erkennbaren Programmatik
und Intentionalität lässt sich das „Bienenbuch“ vor allem als Spiegel alltäglicher und
153 Thom. Cantimpr. BUA prolog.: Hoc ergo capitulum exponere simpliciter et moralizarepresumens.
154 Thom. Cantimpr. BUA prolog.: Quibus etiam capitulis secundum materiam exempla aptata et ap-
propriata coniunxi, que nostris temporibus velprope nostra tempora contigerunt. [...] Interdum
etiam et dicta philosophorum diversis locis inserui.
155 Interpretationen der Bienenallegorie bei Thomas von Cantimpre bieten: Geis, Modus vivendi, Wo-
jciechowski, Pszczoly i zakonnicy sowie Pollini, Les proprietes.
156 Davon gibt beispielsweise ein Diktum von Isnard W. Frank Ausdruck, der das „Bienenbuch“ als
eine „an zeitgeschichtlich interessanten Mitteilungen nicht reizlose Anekdotensammlung“ charak-
terisierte. S. Frank, Spannung zwischen Ordensleben, S. 174.
157 Thom. Cantimpr. BUA prolog.: cum unusquisque rationis capax lucide videal omni Statut omni
conditioni hominum per diversificatas ipsius textus sententias et diversa rerum narrata gestarum
iocunde nimis et gratissime convenire et vix forte in multis tractatibus generalius aliquid inveniri.
 
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