Metadaten

Burkhardt, Julia; Thomas; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Von Bienen lernen: das "Bonum universale de apibus" des Thomas von Cantimpré als Gemeinschaftsentwurf : Analyse, Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 1): Analyse und Anhänge — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.56852#0077
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
76

II. Das Werk

Heiligenerzählungen oder Zitaten in Verbindung gebracht. Einen erzählerischen
Konnex zum übergeordneten Thema stellt jedoch die am Ende eines Kapitels artiku-
lierte Projektion des jeweiligen Bienen-Themas auf menschliche Gemeinschaften
her.162 Dabei wird zumeist eine allgemeine Norm nach dem Schema: „Die Bienen der
Gläubigen sollen wissen / lernen usw.“ postuliert, oder aber die im Text beständig ad-
ressierte Gemeinschaft der Gläubigen bzw. der Leser (tu, lector) werden direkt zu einer
bestimmten Verhaltensweise aufgefordert.163 Diese Rahmenstruktur - Bienen-Beob-
achtung am Anfang, Übetragung auf menschliche Zusammenhänge am Ende - wird
jedoch nicht im gesamten Werk konsequent durchgehalten. So finden sich am Ende
einiger Kapitel lediglich allgemeine Handlungsvorgaben, die keinerlei Bezug zur Bie-
nenallegorie aufweisen,164 oder aber eine entsprechende abschließende Normvorgabe
fehlt vollkommen.165 166 Am Ende beinahe aller Kapitel findet sich dagegen eine einheitli-
che, themenunabhängige Überleitung zum folgenden Textabschnitt (sequitur)^
Die strukturelle Einarbeitung der Bienenallegorie als Themeneinstieg und -abrun-
dung macht deutlich, dass Thomas von Cantimpre im Falle des Bonum universale de
apibus nicht vordergründig an einer Naturbeschreibung interessiert war. Im „Bienen-
buch“ fungiert das Beispiel der Bienengemeinschaft vielmehr als erzählerischer Rah-
men und gleichzeitig als kommunikatives Medium, das eine unmittelbare Verbin-
dung zum Adressaten des Textes - dem Leser oder Hörer - her st eilt.167
Hierarchie als Grundprinzip: Die Gemeinschaftsvision im „Bienenbuch“
Die im Widmungsbrief mit der Zweiteilung in Vorsteher und Untergebene angedeu-
tete hierarchische Vorstellung einer Gemeinschaft prägt das gesamte „Bienenbuch“.
162 Ein typisches Beispiel hierfür ist etwa Thom. Cantimpr. BUA 11,19, an dessen Ende das Kapitelthe-
ma (Inter omnia genera animalium illud supra modum mirabile est, cpiod apes commune sobolem
habent, et eis communis estfructus) sprachlich wieder aufgegriffen wird: Discant melliflui fructus
apes cum gaudio et admiratione fidelium sobolem communem habere et non in fructu singulariter
gloriari.
163 S. z. B. Thom. Cantimpr. BUA 11,22,5: Vos igitur apes fidelium exhorrescite, que audistis, noble
avaritie sordibus inquinari, sed sicut a Deo beneficium hylariter accepistis, ita hylariter non ha-
bentibus concedatis.
164 S. beispielsweise Thom. Cantimpr. BUA 11,26,10: Quam stricte autem mendacium in libro de men-
dacio et contra mendacium ad Consentium ab Augustino sumatur, legal claustralis et videat et
excommunicatum librum illum, quem in patrocinium mendacii quendam maledictum fecisse cog-
novimus, respuat, nec attendat.
165 Exemplarisch sei auf Thom. Cantimpr. BUA 11,29 verwiesen, das mit einem Exempel über Isabella
von Frankreich in Abschnitt 40 endet. Beispiele für ein Kapitelende ohne jegliches Wiederauf-
greifen der allgemeinen oder der Bienenthematik finden sich interessanterweise vor allem in der
zweiten Hälfte von Buch II.
166 Freilich sind dabei auch Unterschiede in der handschriftlichen Überlieferung zu berücksichtigen:
In Handschrift M4 beispielsweise verzichtete der Schreiber vollkommen auf die Übernahme des
überleitenden sequitur.
167 S. hierzu Geis, Modus vivendi, S. 203 sowie Sweetman, Dominican Preaching, S. 170. S. außerdem
Abschnitt II.4, „Ein Bruder Grimm des 13. Jahrhunderts?“.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften