Metadaten

Burkhardt, Julia; Thomas; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Von Bienen lernen: das "Bonum universale de apibus" des Thomas von Cantimpré als Gemeinschaftsentwurf : Analyse, Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 1): Analyse und Anhänge — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.56852#0084
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
II.3. Die ideale Gemeinschaft

83

Sie sind aufgrund ihres Alters und ihrer Stellung den Mutterbienen gegenüber zu
Gehorsam verpflichtet (BUA 11,3). Das hier formulierte Obödienzpostulat ist im
Grunde eine Umkehrung der aus Buch I bereits bekannten Gehorsamsgebote, nun
dargestellt mit Blick auf das Bienenvolk. Die dritte Gruppe der Bienen bilden die
Drohnen, die aufgrund ihrer Stachellosigkeit im Gegensatz zum König „unvollkom-
men“ sind (BUA 11,4-6).183 Die physische Unvollkommenheit findet in der sozialen
Stellung ihre Entsprechung, denn die Drohnen nehmen im Gefüge der Bienenge-
meinschaft eine untergordnete, dienende Stellung ein. Diese deutliche Differenzie-
rung wird in Kapitel BUA 11,7, in dem es um die Zeugung geht, wieder etwas modi-
fiziert. So gebe es in Bezug auf eine rechtmäßige Lebensweise keinen Unterschied
zwischen den einzelnen Gruppen der hier evozierten Religiösen und Konversen;
vielmehr fördere ein jeder auf seine Weise und durch eine vorbildliche Lebensfüh-
rung das Wohl der Gemeinschaft.184
Im Anschluss an diese Binnengliederung kommen Modalitäten und Ziele des ge-
meinschaftlichen Lebens von Religiösen und Konversen zur Sprache (BUA 11,8-23).
Dazu gehören grundlegende Praktiken wie die tägliche Arbeit (BUA 11,10: ein Kern-
stück des Buches und zugleich eine programmatische Apologie der Bettelorden),185
das gemeinsame Wohnen (BUA 11,11),186 die gemeinsamen Mahlzeiten (BUA II,12),187
das gemeinsame Schweigen (BUA II,13)188 oder das friedliche Miteinander (BUA
11,14). Erst ihre gemeinschaftliche Ausübung formt aus den einzelnen Bienen eine
Kommunität.189 Das Ziel des gemeinschaftlichen Lebens ist der innere Friede (BUA
11,14-15), der durch Kontemplation sowie Freundschaft bzw. Gastfreundschaft (BUA
11,15; BUA 11,19-22) zu erreichen ist und so zur Besserung der individuellen Tugend-
haftigkeit (BUA 11,23) führt.
Der weitaus umfassendere zweite Teil dieses Buches, die folgenden 33 Kapitel
nämlich (BUA 11,24-56), sind den Amtsträgern bzw. Mutterbienen gewidmet. In gro-
ßer thematischer Vielfalt werden dabei ihre Aufgaben (z. B. die Tätigkeit als Schieds-
richter [BUA 11,34-35] oder als Ratgeber bzw. Beichtväter [BUA 11,42-56]), ihre in-
dividuellen Qualitäten und Funktionen behandelt.190 Einen wichtigen Bestandteil
183 Über mögliche Motivvorlagen zu Drohnen informiert Peil, Untersuchungen, S. 251-269.
184 Thom. Cantimpr. BUA 11,7,1: Non est enim distinctio ludei et Greci, derlei et conversi, dum modo
rite secundum ordinem vivant, quin et ipsi sicut et Uli bonum exemplum prebendo orationibus de-
votis et lacrimis insistendo de divinis beneficiis et premiis celestibus meditando commune bonum
augeant et salutem.
185 Zur Apologie der Mendikanten s. Burkhardt, Welt der Mendikanten.
186 Grundlegend dazu Kehnel, Der mendikantische Konvent.
187 Grundlegend dazu Sonntag, Speisen des Himmels sowie Sonntag, Klosterleben, S. 286-334. Mit
Bezug auf die Franziskaner s. außerdem Kehnel, Der mendikantische Konvent, S. 199-203.
188 S. zur Praxis des Schweigens insbesondere Schürer, Reden und Schweigen sowie Schürer, Zu-
sammenhang von Kommunikation.
189 S. dazu Lutter, Geistliche Gemeinschaften sowie Lutter, Vita communis.
190 S. dazu Sweetman, Dominican preaching, besonders S. 173-181.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften