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Burkhardt, Julia; Thomas; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Von Bienen lernen: das "Bonum universale de apibus" des Thomas von Cantimpré als Gemeinschaftsentwurf : Analyse, Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 1): Analyse und Anhänge — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.56852#0091
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II. Das Werk

Normen abweichen, trifft es im Schlusskapitel auch vorbildhafte Charaktere wie
beispielsweise Jordan von Sachsen (gest. 1237), den Generalmagister der Dominika-
ner. Ihm widmet Thomas von Cantimpre zahlreiche Abschnitte, die biographische
Etappen aus Jordans Leben behandeln (BUA II,57,43-BUA 11,57,51). Gleich mehr-
fach lässt er Jordan durch dämonische Prüfungen gehen und eröffnet diesen Reigen
in BUA 11,57,43, dem ersten der Jordan-Kapitel, mit einem besonders drastischen
Beispiel: Aus Nächstenliebe erlöst Jordan einen als Konversenbruder getarnten
Dämon, der aufgrund einer psychischen Erkrankung gefesselt gehalten wird, und
nimmt ihn mit an die Kurie des Papstes Honorius III. (Cencio Savelli, ca. 1160-1227;
Papst seit 1216). Als Jordan sich zur Ruhe legt, schneidet ihm der Konverse die Keh-
le auf und verletzt den sich wehrenden Ordensmeister zusätzlich schwer an der
Hand. Dem Tode nahe spricht Jordan noch eine Messe und wird letztlich in actu
durch das Sakrament des Abendmahls geheilt.209
Die Verstörung und Unsicherheit, die aus der Aneinanderreihung der sich immer
wieder verändernden und nicht abzuwehrenden Dämonenhandlungen resultiert, wird
gegen Ende des Schlusskapitels von jener These aufgefangen, die schon zu dessen
Beginn formuliert wurde. Dämonen erscheinen nun als Werkzeuge Gottes, die „bei
den Schlechten Tadel oder Vergeltung, bei den Guten aber reinigende Prüfung“ be-
deuten.210 Sie wirkten jedoch nur im Körper, da Gott allein in die Seele der Menschen
einzudringen vermöge.211
Der umfassenden Klarheit und Kalkulierbarkeit seiner hierarchischen Bienenge-
meinschaft stellt Thomas von Cantimpre zum Abschluss damit eine fundamentale
Unsicherheit im Umgang mit Unplanbarem und Kontingentem entgegen. Jeder
Mensch und somit auch jede Gemeinschaft ist, unabhängig von charakterlichen Dis-
positionen oder praktischer Normkonformität, beständigen Prüfungen ausgesetzt.
Weder ihr Aufkommen noch ihr Ausgang sind zu beeinflussen oder gar zu erklären.
Mit dieser recht fluiden und wenig stringenten Lesart gelingt letztlich eine über-
raschende Lösung im Umgang mit den Unvorhersehbarkeiten und Widrigkeiten des
menschlichen Lebens: Indem Thomas von Cantimpre einem strikten, in seiner Kon-
sequenz mitunter furchtgebietenden Normensystem und seinen sozialen Implikatio-
nen ein erhebliches Maß an Kontingenz gegenüberstellt, das freilich von Gott verant-
wortet wird, integriert er Unverständliches in das eigene Leben und sichert dieses

209 Zu Honorius s. Skiba, Honorius III. Zum Spannungsverhältnis des „schlechten Dämonen“ und
des vorbildlichen Religiösen Jordan s. mit Bezug auf eine Dämonenepisode in Jordans Libellus de
principiis Kleinberg, Possession.
210 Thom. Cantimpr. BUA 11,57,62: Et respondemus, cpiod illa est in malis correptio vel vindicta, in
bonis vero probatio purgativa.
211 Thom. Cantimpr. BUA 11,57,62: Quiaper inergiam operationem, ubi vero habeat dubium, quin in
corpore, non in anima. Solus enim Deus, non creatura per inhabitantem gratiam illabitur anima-
bus. Unde autem potestas demonum, sic planissimum est, quod a Deo.
 
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