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Burkhardt, Julia; Thomas; Burkhardt, Julia [Hrsg.]
Von Bienen lernen: das "Bonum universale de apibus" des Thomas von Cantimpré als Gemeinschaftsentwurf : Analyse, Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 1): Analyse und Anhänge — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.56852#0130
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III.3. Der Umgang mit Buch und Text

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regionalen Kontext die persönlichen Beziehungen wohl ausschlaggebender waren als
vermeintlich limitierende Ordenszugehörigkeiten. Es ist denkbar, dass sich Martin von
Leibitz und Leonhard Huntpichler an der Universität Wien begegneten und die Bücher-
leihe hier vereinbarten. Auch anderen Empfängern gegenüber erwies sich das Schot-
tenstift nachweislich als großzügiger Leihgeber - sogar als so großzügig, dass der
Klosterbibliothek im Laufe der Zeit mehrere Handschriften abhandenkamen.94 Unab-
hängig von Zugehörigkeiten zu einem Kloster oder einem bestimmten Orden war unter
den Zeitgenossen im übertragenen Sinne also „shared reading“, das gemeinsame Ver-
fügen über Buchbestände durch Kopieren, Leihen oder Tauschen, gängige Praxis.
Freilich verfügen nicht alle Codices über solch explizite Schreiber- oder Besitz-
vermerke, so dass sich eine Zusammengehörigkeit bzw. Abhängigkeit als Kopiervor-
lage nur über einen Vergleich der betreffenden Textversionen feststellen lässt. Ein
starkes Argument hierfür ist beispielsweise ein übereinstimmendes Arrangement
unterschiedlicher Texte in einem Codex. Dies ist der Fall bei zwei spanischen Hand-
schriften aus dem 14. Jahrhundert, die aus Oviedo (um 1300)95 und Toledo (Mitte
14. Jahrhundert)96 stammen. Obgleich sich die Handschriften in ihrem Gesamtum-
fang unterscheiden (bei der Handschrift aus Toledo handelt es sich um einen umfas-
senden Sammelcodex mit Schriften verschiedener Autoren), teilen sie ein Alleinstel-
lungsmerkmal: Beide enthalten im Anschluss an das „Bienenbuch“ die von Bischof
Leontios von Neapolis verfasste Vita des Johannes Eleemosynarius.97 Vor dem Hin-
tergrund der fortwährenden personellen und institutionellen Beziehungen zwischen
den Kathedralkirchen beider Städte macht diese außergewöhnliche Textkombination
einen Austausch zwischen den Bibliotheken und mithin einen Zusammenhang zwi-
schen beiden Handschriften denkbar.98

Jordan-Exempel stammten aus dem „selten verwendeten ,Bienenbuch“: Praeterea compilator
Thoma Cantimpratensi (de bono apum), sed raro usus est [...]. Catalogus codicum, hg. von Viel-
haber/Indra, S. 211.
94 Rapf, Die Bibliothek, S. 11. Grundlegend auch Flachenecker, Monastischer Austausch und Inkul-
turation sowie 0 Riain, The Schottenklöster.
95 Oviedo, Archivo y Biblioteca Capitular de la Catedral, cod. XVI. Die Provenienzuordnung basiert
auf einem Vermerk aus dem 17. Jahrhundert, der sich auf dem letzten Folio befindet („Liber de
apibus es de la santa Iglesia de Oviedo“). S. zum Codex Alfonso Andres, Notas, S. 269-270.
96 S. Madrid, Biblioteca Nacional de Espana cod. 19.195 (10), bes. fol. 508v mit einen Schreiberver-
merk: Quis scripsis scribat semper cum domino vivat. Johannes vocatur a Christo benedicatur.
Ferdinandus magister frater de Toleto. Amen. Salamanticus etiam. S. zum Codex Gomez Perez,
Manuscritos del Toledano, S. 152-155. Über Quellenbestände zur Kirchengeschichte von Toledo
informiert Torija Rodriguez, La iglesia de Toledo.
97 Zum Werk s. Hofstra, Leontius von Neapolis, S. 58-97.
98 Seit 1377 wirkte beispielsweise der aus Toledo stammende Geistliche Gutierre („de Toledo“; 1330—
1389) als Bischof von Oviedo. In Oviedo beförderte er u. a. den Ausbau des dortigen Skriptoriums.
S. Fernandez Conde, Gutierre de Toledo, S. 258-276 sowie Nickson, Toledo Cathedral, besonders
S. 164-165. Kritisch zum Argument von ähnlichen Textarrangements in Sammelhandschriften
Divizia, Texts and Transmission, S. 107-108.
 
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