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III. Die Rezeptionsgeschichte
liturgischen Texten Rechnung.162 Vadstena ist überdies für die Frage nach dem Zu-
sammenhang von Gender und Schriftproduktion ein interessanter Fall. In dem als
Doppelkloster angelegten Haus waren die Mönche für die seelsorgerische Betreuung
der Schwestern zuständig. Die Bibliothek des Klosters wurde ebenfalls von den Brü-
dern betreut, die folglich durch Abschriften und Übersetzungen etliche Handschrif-
ten anfertigten. Hier entstanden besonders viele Kompilationen, für deren Erstellung
die Schreiber eine große Anzahl an Handschriften erfassen, ordnen und neu zusam-
menstellen mussten.163 Sie boten ein umfangreiches Repertoire für die regelmäßigen
Lesungen und Unterweisungen im Kloster. Neben den Mönchen sind aber auch eini-
ge Birgittenschwestern als Schreiber belegt, die vorrangig volkssprachliche Texte
kopierten.164
In Vadstena wurde im 15. Jahrhundert die größte Gruppe von Exzerpthandschrif-
ten produziert; mögliche Vorlagen in Form von Exemplaren des gesamten „Bienen-
buchs“ befanden sich in der klostereigenen Bibliothek.165 Insgesamt stammen 15
Handschriften aus Vadstena, die alle Exzerpte aus dem „Bienenbuch“ in lateinischer
Sprache enthalten.166 Der Überlieferungskontext der betreffenden Sammelhand-
schriften erscheint mit Predigten, Exempeltexten und Birgittenzitaten insgesamt
recht ähnlich. Auch hinsichtlich der Textauswahl ist eine gewisse Homogenität zu
konstatieren. Gleich mehrere Handschriften enthalten BUA 1,25,5, in dem Thomas
von Cantimpre von einem Pilger berichtet, der nach einer demütigen Ansprache an
Christus am Kalvarienberg verstirbt.167 Diese Auswahl mag - wenn auch nicht aus-
schließlich - in persönlichen Vorlieben des Predigers Jakob Laurentius (gest. 1460)
begründet sein, der zwischen 1446 und 1460 mindestens sechs der Codices aus
162 S. hierzu Letzter, Exempla.
163 S. zu den Kompilations- und Übersetzungsarbeiten aus Vadstena Wollin, Die Heilige Birgitta.
Beispielsweise fertigte der Seelsorger Laurentius von Törnevalla eine Exzerpthandschrift an
(Uppsala, Universitetsbibliotek, cod. C 358). Laurentius’ Ordination am 1. Dezember 1448 und
sein Tod 1458 wurden auch im klösterlichen Memorialbuch vermerkt. S. Diarium Vadstenense,
S. 159 (Första söndagen i adventet vigdes av herr biskopen i Linköping herr Laurentius, kyrkoher-
de i Törnevalla, och herr Olav Johannesson, kyrkoherde i Vadstena, tillpredikokallet, samt syster
Hermegard, doller till herr riddaren Laurentius Ulfsson) und S. 185 (Sankt Jakobs dag begrovs
broder Laurentius, som natten förut hastigt dog, utan Sakrament). Zur Entstehung und Bedeutung
des Diarium s. Gejrot, Diarium Vadstenense.
164 S. hierzu Carlquist, Birgittine Sisters sowie Hedström, Vadstena Abbey.
165 Die vollständigen Kopien sind Uppsala, Universitetsbibliotek, cod. C 173 sowie ebd., cod. C 38.
Vermutlich wurde keine der beiden Handschriften in Vadstena angefertigt, sondern sie gelangten
im Laufe des 15. Jahrhunderts in die dortige Bibliothek. S. zu diesen Zusammenhängen Anders-
son, Messenger Manuscripts.
166 Uppsala, Universitetsbibliotek, cod. C 362; ebd., cod. C 274; ebd., cod. C 311; ebd., cod. C 312;
ebd., cod. C 313; ebd., cod. C 314; ebd., cod. C 319; ebd., cod. C 332; ebd., cod. C 337; ebd., cod. C
355; ebd., cod. C 358; ebd., cod. C 396; ebd., cod. C 48; ebd., cod. C 634; ebd., cod. C 9. S. hierzu
mit einer ausführlichen Beschreibung Rathmann, Dominikanische Exempelschriften, S. 46-50.
167 Entsprechende Exzerpte finden sich in Uppsala, Universitetsbibliotek, cod. C 314; ebd., cod. C 319;
ebd., cod. C 332; ebd., cod. C 355; ebd., cod. C 396.
III. Die Rezeptionsgeschichte
liturgischen Texten Rechnung.162 Vadstena ist überdies für die Frage nach dem Zu-
sammenhang von Gender und Schriftproduktion ein interessanter Fall. In dem als
Doppelkloster angelegten Haus waren die Mönche für die seelsorgerische Betreuung
der Schwestern zuständig. Die Bibliothek des Klosters wurde ebenfalls von den Brü-
dern betreut, die folglich durch Abschriften und Übersetzungen etliche Handschrif-
ten anfertigten. Hier entstanden besonders viele Kompilationen, für deren Erstellung
die Schreiber eine große Anzahl an Handschriften erfassen, ordnen und neu zusam-
menstellen mussten.163 Sie boten ein umfangreiches Repertoire für die regelmäßigen
Lesungen und Unterweisungen im Kloster. Neben den Mönchen sind aber auch eini-
ge Birgittenschwestern als Schreiber belegt, die vorrangig volkssprachliche Texte
kopierten.164
In Vadstena wurde im 15. Jahrhundert die größte Gruppe von Exzerpthandschrif-
ten produziert; mögliche Vorlagen in Form von Exemplaren des gesamten „Bienen-
buchs“ befanden sich in der klostereigenen Bibliothek.165 Insgesamt stammen 15
Handschriften aus Vadstena, die alle Exzerpte aus dem „Bienenbuch“ in lateinischer
Sprache enthalten.166 Der Überlieferungskontext der betreffenden Sammelhand-
schriften erscheint mit Predigten, Exempeltexten und Birgittenzitaten insgesamt
recht ähnlich. Auch hinsichtlich der Textauswahl ist eine gewisse Homogenität zu
konstatieren. Gleich mehrere Handschriften enthalten BUA 1,25,5, in dem Thomas
von Cantimpre von einem Pilger berichtet, der nach einer demütigen Ansprache an
Christus am Kalvarienberg verstirbt.167 Diese Auswahl mag - wenn auch nicht aus-
schließlich - in persönlichen Vorlieben des Predigers Jakob Laurentius (gest. 1460)
begründet sein, der zwischen 1446 und 1460 mindestens sechs der Codices aus
162 S. hierzu Letzter, Exempla.
163 S. zu den Kompilations- und Übersetzungsarbeiten aus Vadstena Wollin, Die Heilige Birgitta.
Beispielsweise fertigte der Seelsorger Laurentius von Törnevalla eine Exzerpthandschrift an
(Uppsala, Universitetsbibliotek, cod. C 358). Laurentius’ Ordination am 1. Dezember 1448 und
sein Tod 1458 wurden auch im klösterlichen Memorialbuch vermerkt. S. Diarium Vadstenense,
S. 159 (Första söndagen i adventet vigdes av herr biskopen i Linköping herr Laurentius, kyrkoher-
de i Törnevalla, och herr Olav Johannesson, kyrkoherde i Vadstena, tillpredikokallet, samt syster
Hermegard, doller till herr riddaren Laurentius Ulfsson) und S. 185 (Sankt Jakobs dag begrovs
broder Laurentius, som natten förut hastigt dog, utan Sakrament). Zur Entstehung und Bedeutung
des Diarium s. Gejrot, Diarium Vadstenense.
164 S. hierzu Carlquist, Birgittine Sisters sowie Hedström, Vadstena Abbey.
165 Die vollständigen Kopien sind Uppsala, Universitetsbibliotek, cod. C 173 sowie ebd., cod. C 38.
Vermutlich wurde keine der beiden Handschriften in Vadstena angefertigt, sondern sie gelangten
im Laufe des 15. Jahrhunderts in die dortige Bibliothek. S. zu diesen Zusammenhängen Anders-
son, Messenger Manuscripts.
166 Uppsala, Universitetsbibliotek, cod. C 362; ebd., cod. C 274; ebd., cod. C 311; ebd., cod. C 312;
ebd., cod. C 313; ebd., cod. C 314; ebd., cod. C 319; ebd., cod. C 332; ebd., cod. C 337; ebd., cod. C
355; ebd., cod. C 358; ebd., cod. C 396; ebd., cod. C 48; ebd., cod. C 634; ebd., cod. C 9. S. hierzu
mit einer ausführlichen Beschreibung Rathmann, Dominikanische Exempelschriften, S. 46-50.
167 Entsprechende Exzerpte finden sich in Uppsala, Universitetsbibliotek, cod. C 314; ebd., cod. C 319;
ebd., cod. C 332; ebd., cod. C 355; ebd., cod. C 396.