IV.2. Die Erarbeitung des Editionskonzepts
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Der Weg zu diesem Konzept erwies sich jedoch anfangs als sprichwörtliche „Suche
nach dem roten Faden“. Zu unklar war, wie grundlegende Entscheidungen zu Ausrich-
tung, Konzeption und Gestaltung zu fällen waren oder wie die Edition in dem anvisier-
ten zeitlichen Rahmen umzusetzen war.30 Um Einblick in den Entstehungsprozess zu
geben, aber auch um die zugrundeliegenden Entscheidungen offenzulegen und nach-
vollziehbar zu machen, dokumentieren die folgenden Ausführungen diese „Suche“,
ihre einzelnen Abschnitte sowie deren Dauer. Künftigen Projekten mit einem ver-
gleichbaren Daten- oder Materialbestand sollen so methodische Anregungen gegeben,
aber auch arbeitspraktische Fallhöhen und Probleme aufgezeigt werden.
Im Zentrum der anfänglichen Überlegungen zur Konzeptualisierung der Edition
standen v. a. folgende Fragen:31
- Wie ist mit der Menge und Varianz breit überlieferter Texte methodisch umzu-
gehen? Wie ist demnach die Edition eines derart umfassenden und massenhaft
überlieferten Textes anzulegen? Soll - gemäß dem Diktum Vollmanns „Das
Wie einer Edition bestimmt sich aus dem Wozu“ - die Autorenintention oder
die Nutzerorientierung stärker in den Mittelpunkt rücken?32
- Soll eine „originale“ Autorenfassung rekonstruiert werden (autorenzentrierte
Herangehensweise) oder nach dem Prinzip der Vollständigkeit ein Überblick
über die Abhängigkeiten aller Handschriften erarbeitet werden („Stemma“)?
Oder zielt die Edition auf die Präsentation einer oder mehrerer weit verbreite-
ten Fassungen (überlieferungsorientierte Herangehensweise)?
- Welche Handschriften sind angesichts der stattlichen Überlieferung des lateini-
schen Textes zu verwenden? Wie bzw. mit welchen Kriterien lässt sich eine
Auswahl valide und nachvollziehbar treffen, ohne lediglich auf Zufallsbefun-
den zu gründen?
Die Entscheidung zugunsten einer überlieferungsorientierten Herangehensweise, die
gleichermaßen Autorenintention33 und Nutzerausrichtung berücksichtigt, wurde in
mehreren, einander ergänzenden Arbeitsschritten gefällt. Ein denkbarer „klassi-
scher“ Zugang in Form der Annäherung an eine Autorenfassung kam dabei aus of-
fensichtlichen Gründen nicht in Frage. Während nämlich für die Naturenzyklopädie
Liber de natura rerum eine Handschrift aus der Lebenszeit (ca. 1250) und dem
Umfeld des Autors (Löwen) bekannt ist, die möglicherweise sogar von Thomas von
30 Diese Arbeit entstand im Rahmen des Forschungsprojektes „Klöster im Hochmittelalter. Innova-
tionslabore europäischer Lebensentwürfe und Ordnungsmodelle“ an der Heidelberger Akademie
der Wissenschaften. S. hierfür die Informationen unter https://www.hadw-bw.de/forschung/for-
schungsstelle/kloester-im-hochmittelalter.
31 S. neuerdings Burkhardt/Kubon, Wege, Chancen und Herausforderungen.
32 Grundlegend hierzu Vollmann, Edition von Texten, Zitat S. 91.
33 S. den von Thomas von Cantimpre explizit formulierten Wunsch der Nutzung seines Werkes, in:
Thom. Cantimpr. BUA prolog. S. dazu außerdem Kapitel II.3.1.
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Der Weg zu diesem Konzept erwies sich jedoch anfangs als sprichwörtliche „Suche
nach dem roten Faden“. Zu unklar war, wie grundlegende Entscheidungen zu Ausrich-
tung, Konzeption und Gestaltung zu fällen waren oder wie die Edition in dem anvisier-
ten zeitlichen Rahmen umzusetzen war.30 Um Einblick in den Entstehungsprozess zu
geben, aber auch um die zugrundeliegenden Entscheidungen offenzulegen und nach-
vollziehbar zu machen, dokumentieren die folgenden Ausführungen diese „Suche“,
ihre einzelnen Abschnitte sowie deren Dauer. Künftigen Projekten mit einem ver-
gleichbaren Daten- oder Materialbestand sollen so methodische Anregungen gegeben,
aber auch arbeitspraktische Fallhöhen und Probleme aufgezeigt werden.
Im Zentrum der anfänglichen Überlegungen zur Konzeptualisierung der Edition
standen v. a. folgende Fragen:31
- Wie ist mit der Menge und Varianz breit überlieferter Texte methodisch umzu-
gehen? Wie ist demnach die Edition eines derart umfassenden und massenhaft
überlieferten Textes anzulegen? Soll - gemäß dem Diktum Vollmanns „Das
Wie einer Edition bestimmt sich aus dem Wozu“ - die Autorenintention oder
die Nutzerorientierung stärker in den Mittelpunkt rücken?32
- Soll eine „originale“ Autorenfassung rekonstruiert werden (autorenzentrierte
Herangehensweise) oder nach dem Prinzip der Vollständigkeit ein Überblick
über die Abhängigkeiten aller Handschriften erarbeitet werden („Stemma“)?
Oder zielt die Edition auf die Präsentation einer oder mehrerer weit verbreite-
ten Fassungen (überlieferungsorientierte Herangehensweise)?
- Welche Handschriften sind angesichts der stattlichen Überlieferung des lateini-
schen Textes zu verwenden? Wie bzw. mit welchen Kriterien lässt sich eine
Auswahl valide und nachvollziehbar treffen, ohne lediglich auf Zufallsbefun-
den zu gründen?
Die Entscheidung zugunsten einer überlieferungsorientierten Herangehensweise, die
gleichermaßen Autorenintention33 und Nutzerausrichtung berücksichtigt, wurde in
mehreren, einander ergänzenden Arbeitsschritten gefällt. Ein denkbarer „klassi-
scher“ Zugang in Form der Annäherung an eine Autorenfassung kam dabei aus of-
fensichtlichen Gründen nicht in Frage. Während nämlich für die Naturenzyklopädie
Liber de natura rerum eine Handschrift aus der Lebenszeit (ca. 1250) und dem
Umfeld des Autors (Löwen) bekannt ist, die möglicherweise sogar von Thomas von
30 Diese Arbeit entstand im Rahmen des Forschungsprojektes „Klöster im Hochmittelalter. Innova-
tionslabore europäischer Lebensentwürfe und Ordnungsmodelle“ an der Heidelberger Akademie
der Wissenschaften. S. hierfür die Informationen unter https://www.hadw-bw.de/forschung/for-
schungsstelle/kloester-im-hochmittelalter.
31 S. neuerdings Burkhardt/Kubon, Wege, Chancen und Herausforderungen.
32 Grundlegend hierzu Vollmann, Edition von Texten, Zitat S. 91.
33 S. den von Thomas von Cantimpre explizit formulierten Wunsch der Nutzung seines Werkes, in:
Thom. Cantimpr. BUA prolog. S. dazu außerdem Kapitel II.3.1.