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Gerhohus; Becker, Julia [Hrsg.]; Insley, Thomas [Übers.]
Gerhoch von Reichersberg, Opusculum de aedificio Dei: die¬ Apostel als Ideal : Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 1): Einleitung, Verzeichnisse und Edition mit Übersetzung Opusculum de aedificio Dei — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.65331#0022
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1.3 Forschungsstand zu Gerhoch

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Papsttum herangezogen und - wenn auch weniger erfolgreich - als historiographi-
sche Quellen ausgewertet.64
Zwischenzeitlich weckten verschiedene dogmengeschichtliche Aspekte der Wer-
ke Gerhochs das Interesse der Theologen. Während der Protestant Dilloo beispiels-
weise in Gerhochs Sakramentenlehre und Christologie Anklänge an die Lehre Lu-
thers sah,65 interessierte sich der katholische Dogmatiker Bach hingegen vor allem
für Gerhochs Ablehnung der französischen Dialektiker.66 Im Zuge der Aufwertung
der von Gerhoch bekämpften Frühscholastik verloren die Dogmenhistoriker jedoch
wieder schnell das Interesse an Gerhochs Werken.67 Erst in der ersten Hälfte des
20. Jahrhunderts wurden ganz verschiedene Aspekte in Gerhochs Wirken und Wer-
ken beleuchtet. Angeregt wurde dieses Aufleben unter anderem durch neue Studien
zur Geschichtsphilosophie des „deutschen Symbolismus“,68 zu dessen Vertretern
neben Gerhoch auch Rupert von Deutz (ca. 1075-1130), Otto von Freising (ca. 1112—
1158), Hildegard von Bingen (1098-1179) und Anselm von Havelberg (ca. 1099-1158)
zählten. Insbesondere folgende Themenschwerpunkte wurden in der neuen For-
schung zu Gerhoch behandelt: Kirchenbegriff und Staatsdenken bei Gerhoch,69 die
Rolle Gerhochs in den geistigen und religiösen Strömungen des 12. Jahrhunderts,70
64 Zu nennen ist hier vor allem die Auseinandersetzung zwischen dem Protestanten Walter Ribbeck
(1858-1899) und dem Jesuiten Hartmann Grisar (1845-1932), die sich vor allem über der Ver-
hältnis Gerhochs zu Rom und zum Papst stritten: Walter Ribbeck, Gerhoh von Reichersberg und
seine Ideen über Staat und Kirche, in: Forschungen zur deutschen Geschichte 24 (1884), S. 1-80;
ders., Noch einmal Gerhoh von Reichersberg, in: Forschungen zur deutschen Geschichte 25 (1885),
S. 556-561; Hartmann Grisar, Die Investiturfrage nach ungedruckten Schriften Gerhohs von Rei-
chersberg, in: Zeitschrift für Katholische Theologie 9 (1885), S. 536-553. Daneben sind die Arbeit
des evangelischen Pfarrers Heinrich F. A. Nobbe, Gerhoch von Reichersberg: ein Bild aus dem
Leben der Kirche im 12. Jahrhundert, Leipzig 1881 und die stark subjektiven Werke von Konrad
Sturmhöfel, Der geschichtliche Inhalt von Gerhohs von Reichersberg I. Buche über die Erfor-
schung des Antichrists, Leipzig 1887; ders., Gerhoh von Reichersberg. Über die Sittenzustände der
zeitgenössischen Geistlichkeit, Leipzig 1888 zu erwähnen.
65 F. W. Dilloo, De Gerhohe praeposito Reicherspergensi, (Diss. Berlin) Berlin 1867.
66 Josef Bach, Dogmengeschichte des Mittelalters vom christologischen Standpunkte oder die mittel-
alterliche Christologie, 2 Bde., Wien 1873-1875.
67 Neben den Studien von Jean-Barthelemy Haureau (1812-1896), Heinrich Denifle (1844-1905) und
Franz Ehrle (1845-1934) trug vor allem der protestantische Theologe Otto Baltzer zu einer starken
Abwertung der dogmatischen Bedeutung Gerhochs bei: Otto Baltzer, Beiträge zur Geschichte des
christologischen Dogmas im 11. und 12. Jahrhundert, Berlin 1898.
68 Der Begriff wurde geprägt durch Alois Dempf, Sacrum imperium. Geschichts- und Staatsphiloso-
phie des Mittelalters und der politischen Renaissance, München 1929, S. 229; speziell zu Gerhoch
siehe S. 252-261.
69 Irene Ott, Gerhoh von Reichersberg als Geschichts- und Staatsdenker des 12. Jahrhundert, (Diss.
Marburg) Marburg 1942; A. Grab, Der Kirchenbegriff des Gerhoch von Reichersberg, (Diss. unge-
druckt) Freiburg/Schweiz 1955; Erich Meuthen, Kirche und Heilgeschichte bei Gerhoch von Rei-
chersberg, Leiden/Köln 1959. Meuthen, der vor allem die kirchenpolitischen und geschichtstheolo-
gischen Thesen in Gerhochs Weltbild aufweist, ergänzt die Arbeit von Ott noch entscheidend.
70 Zacharius Grösslhuber, Gerhoch von Reichersberg. Ein Kulturbild aus dem 12. Jahrhundert, in:
Rieder Heimatkunde 17 (1930), S. 1-147; Hans H. Jacobs, Studien über Gerhoh von Reichers-
 
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