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Gerhohus; Becker, Julia [Hrsg.]; Insley, Thomas [Übers.]
Gerhoch von Reichersberg, Opusculum de aedificio Dei: die¬ Apostel als Ideal : Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 1): Einleitung, Verzeichnisse und Edition mit Übersetzung Opusculum de aedificio Dei — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.65331#0034
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2.3 Quellen und Vorlagen

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Uber Anshelmi Lucensis verzeichnet,135 allerdings scheint sich dahinter der um
1085/1086 verfasste Liber contra Wibertum und nicht die Collectio canonum zu ver-
bergen.136 Dass Anselms Collectio in Reformkreisen bekannt war, zeigt deutlich das
Privileg Urbans II. für den Kanonikerkonvent Rottenbuch von 1092. Denn hier beruft
sich Urban II. auf ältere Autoritäten und greift damit genau diejenigen auf, die auch
Anselm zu Beginn des siebten Buches nennt.137 Gratian übernimmt in sein Decre-
tum, genauer in die Causa XII des Pars Secunda über den Besitz der Kleriker, alle
bereits bei Anselm zitierten Autoritäten in genau dergleichen Reihenfolge und greift
daher sicherlich auf Anselms Collectio canonum als Vorlage zurück.138
Nicht ganz so viele Pseudoisidorstücke wie Anselms Collectio enthält hingegen die
Kanonessammlung Ivos von Chartres, die Gerhoch ebenfalls bei zahlreichen Autori-
tätenzitaten anführt.139 Ivo (ca. 1040-1115/1116), seit 1072/1078 Propst des Regular-
kanonikerstiftes Saint-Quentin in Beauvais, wurde 1090 durch Urban II. zum Bi-
schof von Chartres geweiht. Durch seine klaren Distinktionen von Sakrament und
Symbol, temporalia und spiritualia sowie weltlichem und kirchlichem Recht trug Ivo
von Chartres wesentlich zur Sensibilisierung während des „Investiturstreits“ und
schließlich zur Lösung des Investiturproblems bei.140 Von den drei Kanonessamm-
lungen - der Collectio tripartita, dem Dekret und der Panormia -, die bisher Ivo von
Chartres zugewiesen wurden und wahrscheinlich alle zu Beginn seines Episkopats
zwischen 1091 und 1096 entstanden sind, ist die Autorschaft Ivos an der Panormia
inzwischen umstritten.141 Als Quellen des Opusculum lassen sich nur das Dekret und
die Panormia nachweisen.142 Erstaunlich ist in einigen Fällen, dass die Anordnung
135 Ineichen-Eder, Mittelalterliche Bibliothekskataloge Deutschlands und der Schweiz, Bd. 4, 1,
S.427Z. 236.
136 Vgl. Märtl, Regensburg, S. 163-164.
137 Hane [vitam] martyr et pontifex Urbanus instituit. Hane Augustinus suis regulis ordinavit. Hane
Gregorius Augustino Anglorum archiepiscopo instituendam precepit. Gerhoch zitiert dieses Pri-
vileg Urbans II. unter den Autoritäten, Teilband II, S. 28 (fol. lOv). Vgl. hierzu Fuhrmann, Papst
Urban II., S. 7, Anm. 10; Picasso, Monachesimo e canoniche, S. 141.
138 Decretum Gratiani, ed. Friedberg, pars II, C. 12, q. 1, c. 2, Sp. 676-677 (siehe Autoritäten, Teil-
band II, S. 22-24 [fol. 9r]), c. 5, Sp. 677-678 (siehe Autoritäten, Teilband II, S. 16-18 [fol. 7v]), c.
8, Sp. 678-679 (siehe Autoritäten, Teilband II, S. 30-32 [fol. llr]), c. 9, Sp. 679 (siehe Autoritäten,
Teilband II, S. 112-114 [fol. 44v]). Vgl. hierzu Picasso, Monachesimo e canoniche, S. 142-143.
Allgemein zur Bedeutung Anselms als Quelle für Gratian vgl. Landau, Gratians unmittelbare
Quellen, S. 170-173; Fuhrmann, Einfluß und Verbreitung, Bd. 2, S. 575-576.
139 Vgl. Fuhrmann, Einfluß und Verbreitung, Bd. 2, S. 511.
140 Zu Ivo und seiner Bedeutung für die Kirchenreformvgl. Becker, Ivo von Chartres, Sp. 839-840;
Hoffmann, Ivo von Chartres, S. 393-438; Sprandel, Ivo von Chartres, S. 130-148; Fuhrmann,
Einfluß und Verbreitung, Bd. 2, S. 542-543.
141 Vgl. hierzu jüngst Dusil, Wissensordnungen, S. 88-89; Rolker, Canon law, S. 285-289; ders., Ivo
of Chartres, S. 187-206.
142 Zur Entstehungszeit, Zusammensetzung und Pseudoisidorexzerpten vgl. ausführlich Fuhrmann,
Einfluß und Verbreitung, Bd. 2, S. 544-562.
 
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