42
2. Opusculum de aedificio Dei
eingesehen hat oder ob er ihn über Walther von Ravenna kannte, der im Prozess von
1130 als päpstlicher Legat zu seinen Gunsten intervenierte, können nur Vermutun-
gen angestellt werden.202
Nach der Darlegung seiner zentralen Forderung widmet sich Gerhoch in den
nächsten Kapiteln (14-24) der Einhaltung dieser einen apostolischen Regel durch alle
Kleriker, wofür er die Bischöfe in die Verantwortung zieht. Die Einheit der Kirche
und damit auch die Befolgung der apostolischen Regel sieht Gerhoch dadurch gefähr-
det, dass die Bischöfe in weltliche Angelegenheiten verstrickt seien und die Kirchen-
güter an Krieger und Ritter verteilen müssten. Gerhoch kritisiert hier vor allem, dass
Bischöfe und Äbte auch nach dem Wormser Konkordat 1122 für den Empfang der
Regalien das hominium und den sacramentum fidelitatis zu leisten hätten und da-
durch vom König abhängig seien.203 Durch die Kritik an diesem Vorgang beein-
flusste Gerhoch lange Zeit die ältere Forschung, die die Einsetzung der Bischöfe in
die Regalien nach 1122 als lehnsrechtlichen Akt interpretierte.204 Jüngst konnte Jür-
gen Dendorfer jedoch nachweisen, dass das hominium et sacramentum, das der
Bischof dem Herrscher zu leisten hatte, erst nach der Einsetzung in die temporalia
durch die Zepterinvestitur erfolgte und daher als „eine Art verstärkte Treuleistung“
und nicht unbedingt als lehnsrechtliche Handlung zu deuten sei.205 Um den laikalen
Einfluss auf die Bischofswahlen einzuschränken und die Verwirrung von regalia
und ecclesiastica zu lösen, die die Errichtung des Bauwerks Gottes gefährde,206
bemüht sich Gerhoch konkret, den weltlichen und den geistlichen Bereich vonein-
ander zu trennen.207 In Kapitel 25 nimmt er daher eine Dreiteilung der kirchlichen
Regularkanoniker, S. 55. Dereine schließt daraus, dass St. Nikola im 12. Jahrhundert die Consue-
tudines von Santa Maria in Porto befolgt habe: vgl. Dereine, Les chanoines, S. 911.
202 Vgl. Classen, Gerhoch, S. 70.
203 Sed adhuc arca intra fines ac terminos Philistinorum tenetur, dum episcopi, abbates, abbatissq
facta electione ad palatium rre compelluntur, quatenus a rege nescio qu% regalia suscipiant; de
quibus regi uel hominium uel fidelitatis sacramentum faciant. Gerhoch von Reichersberg, De ae-
dificio Dei, cap. 8, S. 158. Vgl. Meuthen, Kirche und Heilsgeschichte, S. 66. Gerhoch bezeichnet
das hominium als Kette, durch die Bischof unter den weltlichen Herrschern festgebunden wird:
Gerhoch von Reichersberg, De aedificio Dei, cap. 17, S. 198-204.
204 „Worms hat ein Lehnsverhältnis von Bischof und König gegründet und legalisiert und damit rega-
lia und ecclesiastica verwirrt. Das Reichsrecht scheint zu verlangen, daß die Bischöfe zu Fürsten
werden, das Kirchengut an ritterliche Laien austeilen und dafür ihrerseits das hominium empfan-
gen.“ Classen, Gerhoch, S. 42. Classen vertritt die These von der Feudalisierung der Reichskirche
durch das Wormser Konkordat: vgl. ders., Wormser Konkordat, S. 411-460.
205 Dendorfer, Wormser Konkordat, S. 326 (mit weiterführender Literatur). Vgl. außerdem Weinfur-
ter, Tränen, S. 124-127.
206 Gerhoch von Reichersberg, De aedificio Dei, cap. 14-16, S. 179-198.
207 Non debet alicui mirum uideri, quod in distinguendo ecclesiastica et regalia tamdiu inmoramur,
quia hoc ad structuram edificii, de quo tractare disposuimus, plurimum ualere arbitramur. Ger-
hoch von Reichersberg, De aedificio Dei, cap. 16, S. 190. Vgl. Classen, Gerhoch, S. 42; Ott, Rega-
lienbegriff, S. 258-272; Meuthen, Kirche und Heilsgeschichte, S. 67-75.
2. Opusculum de aedificio Dei
eingesehen hat oder ob er ihn über Walther von Ravenna kannte, der im Prozess von
1130 als päpstlicher Legat zu seinen Gunsten intervenierte, können nur Vermutun-
gen angestellt werden.202
Nach der Darlegung seiner zentralen Forderung widmet sich Gerhoch in den
nächsten Kapiteln (14-24) der Einhaltung dieser einen apostolischen Regel durch alle
Kleriker, wofür er die Bischöfe in die Verantwortung zieht. Die Einheit der Kirche
und damit auch die Befolgung der apostolischen Regel sieht Gerhoch dadurch gefähr-
det, dass die Bischöfe in weltliche Angelegenheiten verstrickt seien und die Kirchen-
güter an Krieger und Ritter verteilen müssten. Gerhoch kritisiert hier vor allem, dass
Bischöfe und Äbte auch nach dem Wormser Konkordat 1122 für den Empfang der
Regalien das hominium und den sacramentum fidelitatis zu leisten hätten und da-
durch vom König abhängig seien.203 Durch die Kritik an diesem Vorgang beein-
flusste Gerhoch lange Zeit die ältere Forschung, die die Einsetzung der Bischöfe in
die Regalien nach 1122 als lehnsrechtlichen Akt interpretierte.204 Jüngst konnte Jür-
gen Dendorfer jedoch nachweisen, dass das hominium et sacramentum, das der
Bischof dem Herrscher zu leisten hatte, erst nach der Einsetzung in die temporalia
durch die Zepterinvestitur erfolgte und daher als „eine Art verstärkte Treuleistung“
und nicht unbedingt als lehnsrechtliche Handlung zu deuten sei.205 Um den laikalen
Einfluss auf die Bischofswahlen einzuschränken und die Verwirrung von regalia
und ecclesiastica zu lösen, die die Errichtung des Bauwerks Gottes gefährde,206
bemüht sich Gerhoch konkret, den weltlichen und den geistlichen Bereich vonein-
ander zu trennen.207 In Kapitel 25 nimmt er daher eine Dreiteilung der kirchlichen
Regularkanoniker, S. 55. Dereine schließt daraus, dass St. Nikola im 12. Jahrhundert die Consue-
tudines von Santa Maria in Porto befolgt habe: vgl. Dereine, Les chanoines, S. 911.
202 Vgl. Classen, Gerhoch, S. 70.
203 Sed adhuc arca intra fines ac terminos Philistinorum tenetur, dum episcopi, abbates, abbatissq
facta electione ad palatium rre compelluntur, quatenus a rege nescio qu% regalia suscipiant; de
quibus regi uel hominium uel fidelitatis sacramentum faciant. Gerhoch von Reichersberg, De ae-
dificio Dei, cap. 8, S. 158. Vgl. Meuthen, Kirche und Heilsgeschichte, S. 66. Gerhoch bezeichnet
das hominium als Kette, durch die Bischof unter den weltlichen Herrschern festgebunden wird:
Gerhoch von Reichersberg, De aedificio Dei, cap. 17, S. 198-204.
204 „Worms hat ein Lehnsverhältnis von Bischof und König gegründet und legalisiert und damit rega-
lia und ecclesiastica verwirrt. Das Reichsrecht scheint zu verlangen, daß die Bischöfe zu Fürsten
werden, das Kirchengut an ritterliche Laien austeilen und dafür ihrerseits das hominium empfan-
gen.“ Classen, Gerhoch, S. 42. Classen vertritt die These von der Feudalisierung der Reichskirche
durch das Wormser Konkordat: vgl. ders., Wormser Konkordat, S. 411-460.
205 Dendorfer, Wormser Konkordat, S. 326 (mit weiterführender Literatur). Vgl. außerdem Weinfur-
ter, Tränen, S. 124-127.
206 Gerhoch von Reichersberg, De aedificio Dei, cap. 14-16, S. 179-198.
207 Non debet alicui mirum uideri, quod in distinguendo ecclesiastica et regalia tamdiu inmoramur,
quia hoc ad structuram edificii, de quo tractare disposuimus, plurimum ualere arbitramur. Ger-
hoch von Reichersberg, De aedificio Dei, cap. 16, S. 190. Vgl. Classen, Gerhoch, S. 42; Ott, Rega-
lienbegriff, S. 258-272; Meuthen, Kirche und Heilsgeschichte, S. 67-75.