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Gerhohus; Becker, Julia [Hrsg.]; Insley, Thomas [Übers.]
Gerhoch von Reichersberg, Opusculum de aedificio Dei: die¬ Apostel als Ideal : Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 1): Einleitung, Verzeichnisse und Edition mit Übersetzung Opusculum de aedificio Dei — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.65331#0057
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56

3. Besonderheit, Bedeutung und Rezeption

Gerhoch an einigen Stellen die Zuordnung und Systematisierung von Wissen leichter
gefallen als an anderen. Außerdem sind durchaus auch mehrfache inhaltliche Bezüge
möglich.
Die Zuordnung der Randglossen zum Haupttext wird an zwei konkreten Beispie-
len veranschaulicht. In mehreren Fällen verweist Gerhoch im Haupttext eindeutig auf
die entsprechende Autoritätenstelle und diese ist auch in der Leithandschrift in un-
mittelbarer Umgebung der Bezugsstelle des Haupttextes zu finden. Beispielsweise
behandelt Gerhoch im elften Kapitel (München, BSB, Clm 5129, foll. lOv-llr) die
Bedeutung der vita communis für Kleriker am Bischofssitz und erörtert in diesem
Kontext die Notwendigkeit der Aufgabe jeglichen Eigenbesitzes (siehe Abb. 4). Dabei
erwähnt Gerhoch den Brief Papst Gregors des Großen an den Erzbischof Augustinus
von Canterbury, in dem Gregor den angelsächsischen Klerikern niederer Weihegrade
Ausnahmen von der gemeinschaftlichen Lebensweise gestattete, die mit den beson-
deren Umständen der Mission zu erklären sind. „Obgleich der heilige Gregor gestat-
tete, Klerikern der Engländer, die Eigenbesitz behielten, wegen der damals neuen
Einpflanzung [des Glaubens] jenes Volkes Kirchenpfründe zu geben, machte er den-
noch in seinem Dekret deutlich, dass diese weder zu den höheren Weihen zugelassen
noch innerhalb der Kongregationen der gemeinschaftlich lebenden Kleriker unterhal-
ten werden dürften; er setzte fest, dass sie angesichts der Notlage jener Zeit außerhalb
der Konvente und außerhalb der höheren Weihen so unterhalten werden sollten, dass
es keinem Bischof gestattet war, abgesondert von diesen Klerikern zu leben, welche
die höheren Weihen bekleideten und in einem Konvent vereint vom Bischof mittels
eines Verwalters unterhalten wurden.“293 Am Rand des Haupttextes auf fol. Hr
wird - inhaltlich abgestimmt auf den Haupttext - genau aus diesem Brief Gregors des
Großen an Augustinus von Canterbury zitiert.294 Unter dieser Glosse folgt noch ein
Ausschnitt aus dem Beschluss der römischen Synode von 1063 unter Papst Alexan-
der II. (1061-1073), in dem es um die Keuschheit und um die Nachahmung der vita
apostolica für Kleriker geht.295 Beweibten Klerikern oder Klerikern mit Konkubinen
wird das Lesen der Messe und der Aufenthalt im Chorraum während der Messe un-
tersagt. Die zweite Randglosse harmoniert auf den ersten Blick nicht so perfekt mit
dem Inhalt des Haupttextes wie die obere Glosse, da hier weniger die konkrete
Forderung nach der vita communis und Aufgabe des Eigenbesitzes als vielmehr die
293 ... quanquam beatus Gregorius Anglorum clericisproprium retinentibuspropter nouellam tune il-
lius gentisplantationem gcclesiastica stipendia daripermiserit, quos tarnen nec ad sacros ordines
admittendos, nec intra congregationes clericorum communiter uiuentium pascendos in suo de-
creto significauit; statuens, ut extra congregationes et extra sacros ordines ita pascerenturpro il-
lius temporis necessitate, ut nec episcopo licitum esset seorsum ab his clericis uiuere, qui et sacris
ordinibus fungebantur et claustraliter sociati ab episcopo per economum pascebantur. Gerhoch
von Reichersberg, De aedificio Dei, cap. 11, S. 166.
294 Siehe Autoritäten, Teilband II, S. 30-32 (fol. Hr); Gregor der Große, Briefe XI, ep. 56a, ed. Hart-
mann, MGH Epp. 2, S. 333.
295 Zur Synode von 1063 vgl. Gresser, Synoden und Konzilien, S. 64-70.
 
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