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Gerhohus; Becker, Julia [Hrsg.]; Insley, Thomas [Übers.]
Gerhoch von Reichersberg, Opusculum de aedificio Dei: die¬ Apostel als Ideal : Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 1): Einleitung, Verzeichnisse und Edition mit Übersetzung Opusculum de aedificio Dei — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.65331#0058
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3.1 „Wissenschaftlichkeit“ Gerhochs oder zum Umgang mit den Autoritäten

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Forderung nach dem Einhalten des Zölibats im Vordergrund steht. Erst gegen Ende
der Glosse wird für regelgemäß lebende Kleriker die Einhaltung der apostolischen,
insbesondere der gemeinschaftlichen Lebensweise ohne Eigenbesitz festgesetzt.296 In
einem Zusatz am Ende dieser Glosse, der von Gerhoch selbst stammen dürfte, wird
noch einmal die Verbindlichkeit dieser päpstlichen Verordnung betont: „Nimm wahr,
dass in dieser Verordnung des apostolischen Stuhles das gemeinschaftliche Leben
den keuschen Dienern des heiligen Altars nicht nur durch Ratschlag, sondern auch
durch Weisung auferlegt wird.“297 Damit ist der klare Bezug zum Haupttext wieder-
hergestellt und Gerhoch kann an dieser Stelle seine Forderung nach der Einhaltung
der vita communis durch zwei kanonistische Quellenbelege absichern.
Etwas komplexer ist das Verweissystem im zweiten Beispiel geschichtet. In Kapi-
tel 73 beschreibt Gerhoch, dass die Bischöfe entgegen ihrer eindeutig erwiesenen
Pflicht immer noch zögern, die apostolische und gemeinschaftliche Lebensweise an
ihren Kirchen einzuführen, und das Warten auf neue päpstliche Privilegien vor schie-
ben würden (siehe Abb. 5a-b). Dabei habe ja längst eine Dekretale Papst Urbans I. -
hier handelt es sich um eine ihm fälschlicherweise zugeschriebene pseudoisidorische
Dekretale298 mit Ausführungen über das urchristliche Gemeinschaftsleben - die apo-
stolische und gemeinschaftliche Lebensweise für Kleriker festgesetzt.299 Diese sei
sogar problemlos in allen Bücherschränken der Kirchen zu finden - decreta inueni-
untur absque itineris labore, sine magnis expensis, pene in omnibus ecclesiarum
armariis gehörte also für zeitgenössische Kleriker zum allgemein verfügbaren
Wissen.300 Am Rand dieses Kapitels wird auf fol. 44v aus ebendiesem fiktiven Schrei-
ben Urbans I. zitiert.301 Ebenso fügt Gerhoch in diesem Kontext auf fol. 45r das be-
reits behandelte Privileg Urbans II. über die vita canonica und die Verbindlichkeit
296 Etprecipientes statuimus, ut hipredictorum ordinum, qui eisdempredecessoribus nostris obedien-
tes castitatem seruauerint, iuxta gcclesias suas, sicut oportet religiosos clericos, simul manducent
et dormiant et quicquid eis ab qcclesiis competit communiter habeant. Et rogantes monemus, ut
apostolicam, scilicet communem uitam implere pervenire summopere studeant, quatenus perfec-
tionem cum his consecuti, qui centesimo fructu ditantur, in cglesti patria asscribi mereantur. Ger-
hoch von Reichersberg, De aedificio Dei, Auctoritates, Teilband II, S. 32-34 (fol. llr).
297 Nota in hac auctoritate apostolicg sedis communem uitam sacri altaris castis ministris indicta
non solo consilio, sed etiam precepto. Gerhoch von Reichersberg, De aedificio Dei, Auctoritates,
Teilband II, S. 34 (fol. llr).
298 Decretales pseudo-isidorianae, Decreta Urbani papae (Epistula prima), c. I, ed. Hinschius, S. 143—
144. Vgl. Fuhrmann, Papst Urban II., S. 4, Anm. 3.
299 Hec uerba Urbanus papa et martyrsic intellexit, ut omnes clericorum congregationesper gcclesias
matrices taliter instituendas decretali sanctione constitueret, quatinus apostolica et communis
uita futuris perpetuo temporibus in his perpetuo perseueraret. Frustra ergo tanquam de re noua
querendum putat aliquis consilium a sede apostolica, utrum reformari debeat uita communis et
apostolica, cum habeamus ad manum decreta Urbani pape et martyris, terribile anathema contra
suarum constitutionum uiolatorespromulgantis. Gerhoch von Reichersberg, De aedificio Dei, cap.
73, S. 332-334.
300 Ebd.
301 Siehe Autoritäten, Teilband II, S. 112-114 (fol. 44v).
 
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