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Gerhohus; Becker, Julia [Editor]; Insley, Thomas [Transl.]
Gerhoch von Reichersberg, Opusculum de aedificio Dei: die¬ Apostel als Ideal : Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 1): Einleitung, Verzeichnisse und Edition mit Übersetzung Opusculum de aedificio Dei — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.65331#0059
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3. Besonderheit, Bedeutung und Rezeption

der Profess für Regularkanoniker unter den Autoritätenzitaten an.302 Im Haupttext
wird jedoch auf diesem Folio beziehungsweise in denen die Glosse umrahmenden
beiden Kapiteln weder auf Urban II. noch auf dieses Privileg Bezug genommen. Da-
her ist dieses Schreiben Urbans II. wesentlich schwieriger in den Kontext einzuord-
nen. Es geht darin vor allem um die Verbindlichkeit der Zugehörigkeit zu einem
Kanonikerstift (congregationes et specialiter canomce iuxta formam et exemplum
primitiue ecclesie sunt Institut^) nach der Profess, die sich in der Übernahme der
gemeinschaftlichen Lebensweise nach dem apostolischen Vorbild auswirkt.303 Über
die konkrete Verknüpfung mit dem Haupttext lassen sich an dieser Stelle nur Vermu-
tungen anstellen. Eventuell könnte das am Rand zitierte Schreiben Urbans II. an zwei
Stellen des Haupttextes angesprochen sein, an denen Gerhoch das Warten der Bi-
schöfe auf neue päpstliche Privilegien erwähnt.304 Vielleicht ist die Verknüpfung der
beiden Randglossen jedoch auch über das aus der Apostelgeschichte stammende
Zitat - Die Menge der Gläubigen war ein Herz und eine Seele - herzustellen,305 das
sich sowohl in der Urban I. zugeschriebenen Randglosse auf fol. 44v als auch zu
Beginn des Schreibens Urbans II. findet.
Wie diese beiden Beispiele zeigen, ist die Zuordnung der Randglossen zum Haupt-
text unterschiedlich ausgeprägt. In manchen Fällen findet sich sogar ein konkreter
Verweis auf ein Schriftstück, das dann in der Randglosse zitiert wird, weshalb sich
das Autoritätenzitat dem Haupttext exakt zuordnen lässt. In anderen Fällen kann nur
über den weiteren Inhalt ein Zusammenhang zum Haupttext hergestellt werden. Teil-
weise muss der Leser einige Folia vor- oder zurückblättern, um zu der entsprechen-
den Randglosse zu gelangen, die eventuell inhaltlich mehreren Stellen im Haupttext
zugeordnet werden kann.306
Grundsätzlich ist festzuhalten, dass diese Art der Glossierung, die Gerhoch für
seine Reformschrift gewählt hat, erste Ansätze eines „wissenschaftlichen“ Verweis-
systems aufzeigt, aber dieses noch nicht differenziert und konsequent durch das
gesamte Werk ausgeführt ist.307
302 Vgl. Einleitung, Kap. 2.3. Siehe Autoritäten, Teilband II, S. 114-116 (fol. 45r).
303 Gerhoch von Reichersberg, De aedificio Dei, Auctoritates, Teilband II, S. 114 (fol. 45r).
304 ... et tarnen episcopi differunt his armari, querentes et expectantes nouis decretis aut priuile-
giorum cartis ad hoc faciendum roborari ... Quod si superuacuum putatur in tarn aperta fide
apostolorum domni apostolici expectare consilium, cur in ceteris nichilominus certis et apertis
apostolorum et apostolicorum constitutis expectatur, donec noua carta seupriuilegium a Romana
sede afferatur? Gerhoch von Reichersberg, De aedificio Dei, cap. 73, S. 334.
305 Act 4, 32.
306 Die Inhaltsübersicht im Anhang soll dem Leser eine Zuordnung der einzelnen Autoritätenzitate
zum Haupttext erleichtern, sobald im Text ein konkreter Hinweis auf eine Randglosse befindet,
wurde dies in der Edition auch verzeichnet.
307 ,,[D]as methodische Distinguieren führte er nur gelegentlich, nicht systematisch durch, sein Blick
aufs Ganze ließ dies Ganze nicht aus einem Gebäude von Einzelnem fügen, sondern führte zum
steten Ineinssetzen von Leben und Lehre, von Christologie und Sakramentslehre, von Predigt und
Wissenschaft. “ Classen, Gerhoch, S. 319.
 
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