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Gerhohus; Becker, Julia [Hrsg.]; Insley, Thomas [Übers.]
Gerhoch von Reichersberg, Opusculum de aedificio Dei: die¬ Apostel als Ideal : Edition, Übersetzung, Kommentar (Teilband 1): Einleitung, Verzeichnisse und Edition mit Übersetzung Opusculum de aedificio Dei — Regensburg: Schnell + Steiner, 2020

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https://doi.org/10.11588/diglit.65331#0066
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3.3 Bedeutung und Rezeption

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ziehen, indem er auf weltliche Güter und Ämter verzichte, und seine Aufgabe sei es,
die Annahme der vita apostolica an seinem Bischofssitz einzuführen und vorzule-
ben.335 Die Ausübung der Seelsorge möchte Gerhoch in den Händen der Regularka-
noniker wissen, da er nur diejenigen dafür geeignet hält, die die apostolische und
gemeinschaftliche Lebensweise ohne Eigentum einhalten.336 Gerhoch vertritt also
eine Reform der Kirche von oben, die praktisch-pastoral ausgerichtet ist. Seine For-
derungen sind zwar weit von der Realität der Kirche im 12. Jahrhundert entfernt,
wurden aber durchaus in einigen Reformzentren wie unter anderem am Salzburger
Domkapitel und in der Passauer Diözese bereits praktiziert.337
Daher vermittelt das Opusculum einen tiefen Einblick in die Gedankengänge und
Reformforderungen seiner Zeit. Es gibt „nicht viele Gestalten von so ausgeprägter
Eigenart des Charakters, von so lebhafter Empfänglichkeit für alle Zeitfragen, von
solch offenem Freimut des Urteils über die Zustände von Kirche und Reich“338 urteilt
Jakob Mois in seiner immer noch grundlegenden Arbeit zum Stift Rottenbuch wäh-
rend der Zeit der Kirchenreform über Gerhoch von Reichersberg. Doch dann spricht
er den Gegensatz zwischen Reformeifer und den reaktionären Reformzielen Ger-
hochs an, die ihn vor allem in christologischen Fragen von den wichtigsten Vertretern
der Frühscholastik trennte.339 Gerhochs kritisches Urteil gegenüber den Schulen der
französischen Scholastiker irritiert immer wieder bei der Einschätzung seiner Re-
formforderungen340 und lässt ihn leicht als „konservativen Geist“ erscheinen.341 Be-
zieht man jedoch die Art der Kommentierung und Glossierung seines Werkes sowie
seinen selbstbewußten Umgang mit den Autoritätenzitaten in die Beurteilung des
Opusculum mit ein, ergibt sich wieder ein ganz anderes Bild.342
335 Episcopus enim sine alius ab illo et sub illo canonice prelatus communem uitam per maiores et
baptismales gcclesias instituet, in qua nemo aliquid suum dicit, sed tota participatio erit in idip-
sum. Gerhoch von Reichersberg, De aedificio Dei, cap. 53, S. 286.
336 Si ergo populis pastore priuatis talis optio proponatur, ut ab Ulis non curialis clericus, non ace-
phalus, non aliquis absolute ordinatus acper hoc iuxta synodum Calcedonensem ab omni ministe-
rio prohibendus, sed bonus aliquis canonicus, aut, si canonicus inueniri non poterit, bonus certe
monachuspetatur. Ebd. Vgl. auch Fischer, Vita apostolica, S. 116-131.
337 Vgl. Weinfurter, Salzburger Bistumsreform, S. 24-26, S. 102-106.
338 Mois, Rottenbuch, S. 114.
339 „Gerhohs Geisteshaltung und Lebensarbeit sind gekennzeichnet durch den Gegensatz der konser-
vativen Theologie, bei ihm vor allem in christologischen Fragen, gegenüber der vernünftelnden
Lehrweise der Dialektiker, sowie durch das Ringen um eine gründliche Reform der tief verwurzel-
ten Übel in Klerus und Kirche.“ Ebd.
340 In der Epistola ad Innocentium papam spricht der Weltkleriker im Dialog mit dem Regularkano-
niker eben diese distanzierte Haltung gegenüber den französischen Schulen an: [Clericus saecu-
laris] Flactenus te sustinui loquentem sive scribentem. Nunc te respuo sicut prophanum et sicut
ereticum, quia non concordas dictis magistorum per totam Franciam scolas regentium. Gerhoch
von Reichersberg, Epistola ad Innocentium papam, ed. Sackur, MGH Ldl 3, S. 235.
341 Rexroth, Fröhliche Scholastik, S. 248 und S. 348.
342 „Die historisch-kritische Methode hatte manches vor der scholastischen Methode4 voraus - aber
nirgends gelang es Gerhoch, sie zum System zu entwickeln, er benutzte sie okkasionell, und so
blieb sie der dialektisch-logischen Methode unterlegen.“ Classen, Gerhoch, S. 320.
 
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