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Jaspers, Karl; Salamun, Kurt [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 10): Vom Ursprung und Ziel der Geschichte — Basel: Schwabe Verlag, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.51322#0017
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XVI

Einleitung des Herausgebers

Vorwurf erhoben, damit werde der Stellenwert der Realgeschichte herabgemindert. Es
würden realgeschichtliche Ereignisse und Traditionen in der Vergangenheit ebenso
wie konkrete historische Ereignisse in der Gegenwart auf Kosten eines existentiellen,
subjektiven »In-Situation-Seins« in den Hintergrund gerückt.25
Im Vergleich zur Beschäftigung mit der Geschichte aus narrativer und theoreti-
scher Perspektive sowie aus subjektiver, existenzphilosophischer Perspektive - Letzte-
res ist vor allem in der Philosophie der Fall - entwickelt Jaspers in Vom Ursprung und Ziel
der Geschichte mit der These von der Achsenzeit in der Weltgeschichte einen neuen Ge-
danken, der allgemein als die Hauptthese seines Geschichtsdenkens gilt. Im Kontext
des Gesamtwerks ist der Begriff der Achsenzeit der dritte Begriff, für den man Jaspers
einen Originalitätsanspruch zugestehen kann. Im Verlauf seiner Denkentwicklung
war zunächst der Begriff der »Grenzsituationen« des menschlichen Lebens eine origi-
nelle Wortprägung, dieser Begriff hat eine zentrale Stellung in Jaspers’ Existenzphilo-
sophie.26 Die zweite originelle Wortprägung war der Begriff des »Umgreifenden« der
Subjekt-Objekt-Spaltung und des Seins überhaupt, »das Umgreifende« wurde zu einem
Zentralbegriff von Jaspers’ Transzendentalphilosophie und Metaphysik.27
5. Die These von der Achsenzeit
In seiner einflussreichen These von der Achsenzeit geht Jaspers von der Annahme aus,
dass es einen empirisch abgrenzbaren Zeitabschnitt in der bisherigen Menschheitsge-
schichte gibt, während dessen in den verschiedenen Regionen der Welt annähernd
gleichzeitig die Grundkategorien des Denkens und die Ansätze der Weltreligionen ent-
standen sind. Diesen Zeitabschnitt setzt er von ca. 800 bis 200 v. Chr. an (vgl. in die-
sem Band, 17-33, 57-63). In dieser Zeit seien unabhängig voneinander in China, In-
dien und dem Abendland (damit sind Griechenland, Palästina und der Iran gemeint)
bedeutsame kulturelle Grundlagen und Denkkategorien geschaffen worden, die bis in

25 Vgl. z.B. O. F. Bollnow: »Existenzphilosophie und Geschichte. Versuch einer Auseinandersetzung
mit Karl Jaspers«, in: Blätter für deutsche Philosophie XI (1938) 235-273, wiederabgedruckt in: Karl
Jaspers in der Diskussion, hg. von H. Saner, München 1973, hier vor allem S. 236-238; J. Hennig:
»Karl Jaspers’ Einstellung zur Geschichte«, in: Karl Jaspers, hg. von P. A. Schlipp, Stuttgart 1957,
556-583,557-576.
26 Vgl. K. Jaspers: Philosophien, 201-254; dieser Begriff spielt schon in Jaspers’ frühem Buch Psycho-
logie der Weltanschauungen, das er zunächst als ein Werk der »verstehenden Psychologie« auffasste,
eine wichtige Rolle. Vgl. K. Jaspers: Psychologie der Weltanschauungen, 229-280.
27 Vgl. K. Jaspers: Von der Wahrheit, 47-190; dieser Begriff spielt im III. Band seines existenzphiloso-
phischen Hauptwerks Philosophie mit dem Titel »Metaphysik« noch keine Rolle. Jaspers hebt ihn
explizit erst in Vorlesungen hervor, die er 1935 an der Universität Groningen und 1937 am Freien
Deutschen Hochstift in Frankfurt a.M. gehalten hat. Sie sind veröffentlicht in: K. Jaspers: Vernunft
und Existenz sowie in K. Jaspers: Existenzphilosophie. Drei Vorlesungen.
 
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