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Jaspers, Karl; Salamun, Kurt [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 10): Vom Ursprung und Ziel der Geschichte — Basel: Schwabe Verlag, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.51322#0019
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XVIII

Einleitung des Herausgebers

Sicht bietet Weber ein gutes Beispiel dafür, dass man weder auf Details von aufeinan-
der »unbezogenen Kulturorganismen« fixiert sein muss (Spengler) noch auf eine vor-
gefasste Idee von einer Einheit der Geschichte (Toynbee), um einen plausiblen univer-
salhistorischen Standpunkt einnehmen zu können. Neben Alfred Weber nennt Jaspers
als Vorläufer seiner Achsenzeitthese auch Ernst von Lasaulx und Viktor von Strauß.* * * * * * * * 34
Für die Entstehung der Achsenzeitthese darf man auch einen biographischen Fak-
tor nicht unter schätzen, nämlich Jaspers’ Freundschaft mit dem Heidelberger Indolo-
gen Heinrich Zimmer. Jaspers’ Wertschätzung der Kulturen Indiens und Chinas, wie
sie in der Achsenzeitthese zum Ausdruck kommt, wurde ihm wesentlich durch Zim-
mer vermittelt, der ihn während der von den Nationalsozialisten erzwungenen Periode
des Lehr- und Publikationsverbots mit Literatur und Übersetzungen aus diesen beiden
Kulturkreisen versorgte.35 In seiner Philosophischen Autobiographie berichtet Jaspers,
dass er nach 1945 auch über chinesische und indische Philosophie gelesen habe, sich
aber bereits seit 1937 durch Lektüre eine »neue Weltkunde« erworben und in diesem
Jahr auch den Plan gefasst habe, eine Weltgeschichte der Philosophie zu schreiben.36
Auch mit der Achsenzeitthese verfolgt Jaspers eine moralisch-politische Absicht.
Durch Bewusstmachung der Achsenzeit der Weltgeschichte möchte er einen gemeinsa-
men Rahmen geschichtlichen Selbstverständnisses für Völker mit verschiedenen kultu-
rellen Traditionen schaffen. Vom Bewusstsein der Achsenzeit sollen Impulse ausgehen,
die den engstirnigen Partikularismus und die Ausschließlichkeitsansprüche politisch-
weltanschaulicher, kultureller, religiöser und nationaler Positionen in der Gegenwart
überwinden helfen und die universale Kommunikation zwischen verschiedenen »Wel-

wohl er, Weber, das von Jaspers mit der Achsenzeit in der Geschichte Gemeinte dort teilweise
ausführlich analysiert habe. Jaspers rechtfertigte sich mit dem Hinweis, dass er Webers Hauptge-
danken ohnedies aus dem Kultursoziologie-Buch referiert und zitiert habe, aber bei einer Neuauf-
lage von Vom Ursprung und Ziel der Geschichte die Zitierung des oben genannten Buches nachho-
len werde. Jaspers hat dies in einer späteren Ausgabe auch getan. Vgl. dazu: Briefe 414 und 415,
in: Alfred Weber. Ausgewählter Briefwechsel, in: Alfred Weber-Gesamtausgabe, Bd. X, zweiter Halb-
band, hg. von E. Demm und H. Soell, Marburg 2003, 492-493. Das in der KJB vorhandene Exem-
plar der Erstausgabe von Webers Kultursoziologie-Buch weist durchgehend Unterstreichungen auf.
34 K. Jaspers: Vom Ursprung und Ziel der Geschichte, in diesem Band, 23; vgl. dazu auch die Stellenkom-
mentare Nr. 12 und 13 in diesem Band, 258.
35 Vgl. K. Jaspers, H. Zimmer: Briefe 1929-1939. H. Zimmer lehrte von 1922 bis 1938 an der Universi-
tät Heidelberg. Wegen der nationalsozialistischen Rassenpolitik musste er aus Deutschland emi-
grieren. Er ging zunächst nach England (1939) und dann in die USA, wo er in New York im Jahr
1943 verstarb. Der Grund für die Emigration war, dass er eine von den Nationalsozialisten diskri-
minierte »Mischehe« führte. Er war ebenso wie Jaspers mit einer Frau jüdischer Herkunft verhei-
ratet, seine Frau war die Tochter des berühmten Schriftstellers Hugo von Hofmannsthal. Seit 2012
befindet sich der Zimmer-Nachlass im Deutschen Literaturarchiv in Marbach.
36 Vgl. K. Jaspers: Philosophische Autobiographie, 120. Am Schluss des Buchs Die großen Philosophen
findet sich ein Quellenverzeichnis, mit dem Jaspers auf einen Teil der von ihm studierten Litera-
tur über chinesische und indische Philosophen und Religionsgründer hinweist. Vgl. K. Jaspers:
Die großen Philosophen, 957- 968.
 
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