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Jaspers, Karl; Salamun, Kurt [Hrsg.]; Fuchs, Thomas [Hrsg.]; Halfwassen, Jens [Hrsg.]; Schulz, Reinhard [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Hrsg.]; Schwabe AG [Hrsg.]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 10): Vom Ursprung und Ziel der Geschichte — Basel: Schwabe Verlag, 2017

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https://doi.org/10.11588/diglit.51322#0049
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Vom Ursprung und Ziel der Geschichte

versalen Geschichtsprozesses, der sich ihm gliedert in primäre Hochkulturen, sekun-
däre Kulturen erster und zweiter Stufe bis zur Geschichte des expansiven Abendlandes
seit 1500.
Diese Anschauungen sollen nicht weiter erörtert werden. Vielmehr versuche ich
meinerseits das Schema einer Totalanschauung zu entwerfen.
Bei meinem Entwurf bin ich getragen von der Glaubensthese, daß die Menschheit
einen einzigen Ursprung und ein Ziel habe. Ursprung und Ziel kennen wir nicht,
schlechterdings gar nicht durch irgendein Wissen. Fühlbar sind sie nur im Schimmer
vieldeutiger Symbole; unser Dasein bewegt sich zwischen ihnen; in philosophischer
Besinnung suchen wir uns wohl beiden, Ursprung und Ziel, zu nähern:
In Adam sind wir Menschen alle verwandt, stammen aus der Hand Gottes, nach
seinem Ebenbilde geschaffen.
Im Ursprung war die Offenbarkeit des Seins in bewußtloser Gegenwärtigkeit. Der
18 Sündenfall brachte uns auf den Weg, | durch Erkennen und durch endliche Praxis mit
Zwecken in der Zeit zur Helle des bewußt Offenbaren zu kommen.
Mit der Vollendung des Endes erreichen wir den Einklang der Seelen, schauen ein-
ander in liebender Gegenwart, in grenzenlosem Verstehen, einem einzigen Reich der
ewigen Geister angehörend.
Das alles sind Symbole, keine Realitäten. Die empirisch zugängliche Universalge-
schichte aber erfassen wir in ihrem Sinn - sei es, daß sie ihn hat, sei es, daß wir Men-
schen ihn ihr geben - nur unter der Idee der Einheit des Ganzen der Geschichte. Die
empirischen Tatbestände betrachten wir daraufhin, wie weit sie einer Einheitsidee ent-
sprechen, oder wie weit sie ihr durchaus entgegenstehen.
Und dabei entwickelt sich uns ein Geschichtsbild, in dem zur Geschichte gehört,
was erstens als ein Einmaliges in dem einen, einzigen Gesamtprozeß der Menschheits-
geschichte unverwechselbar an seinem Orte steht, und was zweitens in der Kommuni-
kation oder der Kontinuität des Menschseins Wirklichkeit und Unentbehrlichkeit hat.
Entwerfen wir nunmehr in einer Struktur der Weltgeschichte unser Schema, das
die größte Weite und die entschiedenste Einheit der Menschheitsgeschichte sucht.
 
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