Vom Ursprung und Ziel der Geschichte
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Dieser Parallelismus hat jedoch nicht denselben exakten Synchronismus wie der
der Achsenzeit. Er ist ferner nur die Ähnlichkeit eines bestehenden Typus, nicht die
der geistigen Bewegung. Er betrifft merkwürdig stabile, aus Zerstörungen in Katastro-
phen sich ähnlich wiederherstellende Zustände. Es ist eine Welt zwischen der Vorge-
schichte, die wir kaum durchschauen, und der Geschichte, die kein geistiges Gleich-
bleiben mehr zuläßt. Es ist eine Welt, die die Grundlage der Achsenzeit wurde, aber in
ihr und durch sie unterging.
3. Welche Ursache hat dieser Tatbestand?
Wenn der Tatbestand des Parallelismus der Achsenzeit unzweifelhaft ist, dann ist die
Frage, woher er komme. Warum geschieht an drei Stellen unabhängig von einander
dasselbe? Es ist zunächst etwas scheinbar Äußerliches, daß die drei im Ursprung sich
gegenseitig nicht kennen, - aber es ist ein geschichtliches Geheimnis, das uns bei fort-
schreitender Erforschung des Tatbestandes nur immer größer wird. Die Achsenzeit mit
ihrem überwältigenden Reichtum geistigen Schaffens, von dem alle menschliche
Geschichte bis heute bestimmt ist, ist begleitet von dem Rätsel, daß in drei Gebieten
unabhängig von einander das Analoge, Zueinandergehörende geschieht.
Dies Geheimnis der Gleichzeitigkeit besteht außer der Achsenzeit, wie wir zeigten,
vielleicht noch einmal (und dann nur für diese beiden Male) für die Entstehung der
alten Hochkulturen. | Die Frage lautet: Warum ist ungefähr gleichzeitig - wenn auch 34
mit einem Abstand bis zu Zwei jahrtausenden - aus dem allgemeinen Zustand vorge-
schichtlicher Völker an drei oder vier Stellen die Entwicklung zu Hochkulturen erfolgt,
- in den Stromtälern des Nil, Mesopotamiens, des Indus, Hoang-ho?
Man antwortet: Analoge Aufgaben, nämlich die Stromregulierungen, (Sorge für Be-
wässerung und Kampf gegen Überschwemmungen) hatten ähnliche Folgen. Warum
aber dann gleichzeitig? Warum nur an jenen Strömen? Warum viel später und unter
anderen Bedingungen in Amerika?
Beziehungen des Verkehrs können auslösende Wirkungen gehabt haben. Jederzeit
sind zivilisatorische Errungenschaften handwerklichen Charakters langsam über die
Erde, wenigstens über den ganzen eurasiatischen Kontinent, gewandert. Die Erfindung
der Schrift ist vielleicht an einer Stelle erfolgt und hat sich von da verbreitet; ohne sie
sind die Aufgaben der Verwaltung, vor allem der Stromregulierungsarbeiten nicht zu
erfüllen. Dies sind nur Möglichkeiten. Beziehungen zwischen der sumerischen Kultur
des Zweistromlandes und der Induskultur sind im dritten Jahrtausend nachweislich,
zwischen Ägypten und Babylonien schon in frühen Zeiten da, im zweiten Jahrtausend
sehr lebendig.
Aber aus einer Übertragung von einer Stelle her sind die mehrfachen Entwicklun-
gen zu den Hochkulturen der frühen Jahrtausende nicht zu erklären. E. Meyer20 (Ge-
schichte des Altertums I, 2, S. 935) sagt daher: »Wir müssen annehmen, daß um 5000
v. Chr. das genus homo eine Stufe der Entwicklung erreicht hatte, die allen den Men-
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Dieser Parallelismus hat jedoch nicht denselben exakten Synchronismus wie der
der Achsenzeit. Er ist ferner nur die Ähnlichkeit eines bestehenden Typus, nicht die
der geistigen Bewegung. Er betrifft merkwürdig stabile, aus Zerstörungen in Katastro-
phen sich ähnlich wiederherstellende Zustände. Es ist eine Welt zwischen der Vorge-
schichte, die wir kaum durchschauen, und der Geschichte, die kein geistiges Gleich-
bleiben mehr zuläßt. Es ist eine Welt, die die Grundlage der Achsenzeit wurde, aber in
ihr und durch sie unterging.
3. Welche Ursache hat dieser Tatbestand?
Wenn der Tatbestand des Parallelismus der Achsenzeit unzweifelhaft ist, dann ist die
Frage, woher er komme. Warum geschieht an drei Stellen unabhängig von einander
dasselbe? Es ist zunächst etwas scheinbar Äußerliches, daß die drei im Ursprung sich
gegenseitig nicht kennen, - aber es ist ein geschichtliches Geheimnis, das uns bei fort-
schreitender Erforschung des Tatbestandes nur immer größer wird. Die Achsenzeit mit
ihrem überwältigenden Reichtum geistigen Schaffens, von dem alle menschliche
Geschichte bis heute bestimmt ist, ist begleitet von dem Rätsel, daß in drei Gebieten
unabhängig von einander das Analoge, Zueinandergehörende geschieht.
Dies Geheimnis der Gleichzeitigkeit besteht außer der Achsenzeit, wie wir zeigten,
vielleicht noch einmal (und dann nur für diese beiden Male) für die Entstehung der
alten Hochkulturen. | Die Frage lautet: Warum ist ungefähr gleichzeitig - wenn auch 34
mit einem Abstand bis zu Zwei jahrtausenden - aus dem allgemeinen Zustand vorge-
schichtlicher Völker an drei oder vier Stellen die Entwicklung zu Hochkulturen erfolgt,
- in den Stromtälern des Nil, Mesopotamiens, des Indus, Hoang-ho?
Man antwortet: Analoge Aufgaben, nämlich die Stromregulierungen, (Sorge für Be-
wässerung und Kampf gegen Überschwemmungen) hatten ähnliche Folgen. Warum
aber dann gleichzeitig? Warum nur an jenen Strömen? Warum viel später und unter
anderen Bedingungen in Amerika?
Beziehungen des Verkehrs können auslösende Wirkungen gehabt haben. Jederzeit
sind zivilisatorische Errungenschaften handwerklichen Charakters langsam über die
Erde, wenigstens über den ganzen eurasiatischen Kontinent, gewandert. Die Erfindung
der Schrift ist vielleicht an einer Stelle erfolgt und hat sich von da verbreitet; ohne sie
sind die Aufgaben der Verwaltung, vor allem der Stromregulierungsarbeiten nicht zu
erfüllen. Dies sind nur Möglichkeiten. Beziehungen zwischen der sumerischen Kultur
des Zweistromlandes und der Induskultur sind im dritten Jahrtausend nachweislich,
zwischen Ägypten und Babylonien schon in frühen Zeiten da, im zweiten Jahrtausend
sehr lebendig.
Aber aus einer Übertragung von einer Stelle her sind die mehrfachen Entwicklun-
gen zu den Hochkulturen der frühen Jahrtausende nicht zu erklären. E. Meyer20 (Ge-
schichte des Altertums I, 2, S. 935) sagt daher: »Wir müssen annehmen, daß um 5000
v. Chr. das genus homo eine Stufe der Entwicklung erreicht hatte, die allen den Men-