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Jaspers, Karl; Salamun, Kurt [Editor]; Fuchs, Thomas [Editor]; Halfwassen, Jens [Editor]; Schulz, Reinhard [Editor]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]; Akademie der Wissenschaften zu Göttingen [Editor]; Schwabe AG [Editor]
Karl Jaspers Gesamtausgabe (Abteilung 1, Band 10): Vom Ursprung und Ziel der Geschichte — Basel: Schwabe Verlag, 2017

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.51322#0067
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Vom Ursprung und Ziel der Geschichte

| 2. Schema der Weltgeschichte

Sich der Grundlage unseres Daseins zu vergewissern, nimmt man den Globus. Nicht
oft genug kann man sich in der Anschauung des in der Hand beweglichen Globus ori-
entieren über das, was Geographen und Historiker von den Grundzügen der Land- und
Meerverteilung, der Gestalt der Erdteile und Länder, der Lage der ursprünglichen Kul-
turen zum Bewußtsein gebracht haben:
1) Ein einziger großer Schwung der Landmassen zieht sich von den westlichen Kü-
sten Europas und Afrikas bis zum äußersten Osten in Amerika, das heißt vom Atlanti-
schen Ozean zum Atlantischen Ozean. Dieser war im Unterschied vom Stillen Ozean
bis zu Columbus die große Trennungsfläche der Menschheit, während überall sonst
nach Ost und West in der Vorgeschichte die Wanderungen stattfanden (die Berührung
Nordamerikas durch Normannen ist eine folgenlose Ausnahme).
2) Die Rassen: Weiße, Schwarze, Mongolen, Indianer waren verteilt auf der Erde bis
zur neueren Zeit in ziemlich geschlossenen Gebieten, aber mit rassischen Übergängen.
3) Wo irgendeine Lebensmöglichkeit ist, hat der Mensch sich angesiedelt. Man sieht
die ungeheuren Gebiete Nordasiens, Afrikas, Amerikas, in denen zwar Menschen leb-
ten, aber geistig-geschichtlich nichts gegründet wurde. Man sieht die äußersten Ge-
biete mit abgedrängten Bevölkerungen im Norden und Süden, die in ihren Daseins-
formen zeigen, was Menschen möglich ist.
Die großen Landschaftstypen werden in ihrer Bedeutung für die Kultur anschaulich:
Stromtäler, Mittelmeerküsten, Ozeanküsten, Inselwelten, Ebenen, Steppen, Wüsten.
4) Der amerikanische Kontinent war von Nord bis Süd von der gleichen Rasse, den
Indianern, bevölkert. Auf ihm gibt es keine prähistorischen Knochenfunde vor- oder
frühmenschlichen Charakters. Der Kontinent muß von Asien her von Nord nach Süd
relativ spät besiedelt sein.
5) Der Raum der Kulturentstehung erstreckt sich, gemessen an der gesamten Erdober-
44 fläche, als ein schmaler Streifen vom | Atlantik bis zum Pazifik, von Europa über Nord-
afrika, Vorderasien nach Indien und China. Dieser Streifen - in seiner Länge etwa ein
Viertel, in seiner Breite weniger als ein Zwölftel des Erdumfangs - birgt in sich frucht-
bares Land, zerstreut zwischen Wüsten, Steppen und Gebirgen. Die Stellen des Ur-
sprungs der höheren Kultur liegen sämtlich in diesem Streifen. Sie sind zunächst un-
abhängig von einander, ihre Schöpfungen verbreiten sich, nehmen Fühlung
miteinander, verlieren wieder die Berührung. Der ständige Verkehr ist selbst für diesen
Gürtel erst spät entstanden und immer wieder unterbrochen, in ganzer Breite erst seit
einigen Jahrhunderten durch die Europäer geschaffen.
Innerhalb der Weiten menschlicher Siedlung ist der Raum der Kulturentstehung
sehr klein. Nicht anders ist es mit der Zeit.
 
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