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Vom Ursprung und Ziel der Geschichte
lose Weitergehen, und in ihrem Selbstbewußtsein der Fortschrittsgedanke. Daher
kommt der beflügelnde Sinn der Wissenschaft, und dann ein Überfallenwerden von
Sinnlosigkeit: wenn das Ziel nie erreicht werden kann und alle Arbeit als Stufe für die
Nachfolgenden gilt, wozu dann die Mühe?
3) Moderne Wissenschaft findet nichts gleichgiltig, sie hält alles für wissenswert, geht
auf das Einzelne und das Kleinste, auf jeden Tatbestand als solchen. Es ist immer wie-
der erstaunlich, zu sehen, wie der moderne Europäer sich, so scheint es, in alles sonst
Verachtete vertieft, nur weil es empirisch real ist. Die griechische Wissenschaft wirkt
demgegenüber wie lieblos gegen die Realität, zufällig in ihrem Zugriff, gelenkt von Ide-
alen, Typen, Gestalten, von einem Vorherwissen, das sie über die meisten Realitäten
hinweggehen läßt. Das gilt noch bei so minutiösem Verhalten zum empirischen Ob-
jekt, wie in manchen der hippokratischen Schriften.
Diese Hingabe an jedes Objekt, an den Zufall, an das Mißgestaltete so gut wie an
das Wohlgestaltete, ruht in einem umgreifenden Selbstbewußtsein, das ebenso unru-
hig wie seiner gewiß ist. Es muß, es soll gewußt werden, was ist. Es darf nichts ausge-
lassen werden.
So ist modern die Breite der Zuwendung zu allem Erfahrbaren, die Vieldimensio-
nalität der gemütlichen Ergriffenheit von allem, was in der Welt vorkommt.
4) Die moderne Wissenschaft, dem Einzelnsten zugewandt, sucht ihre allseitigen Zu-
sammenhänge. Sie kann zwar den Kosmos des Seins nicht ergreifen, wohl aber den Kosmos
114 der Wissenschaften. Die Idee des Zusammengehörens aller Wissenschaften | läßt ein Un-
genügen an jedem vereinzelten Erkennen entstehen. Die moderne Wissenschaft ist nicht
nur universal, sondern lebt hin auf die Einheit der Wissenschaften, die doch nie da ist.
Jede Wissenschaft ist bestimmt durch Methode und Gegenstand. Jede ist eine Per-
spektive in die Welt, keine erfaßt die Welt, jede trifft einen Ausschnitt der Wirklich-
keit, nicht die Wirklichkeit, vielleicht eine Seite aller Wirklichkeit, nicht die Wirklich-
keit im Ganzen. Es gibt besondere Wissenschaften, nicht die eine Wissenschaft als
Wissenschaft vom Wirklichen. So ist alle Wissenschaft partikular, fachlich und spe-
zialistisch, aber jede gehört zu einer Welt, die ohne Schranken ist und doch zusam-
mengehalten wird.
Wie hängen die Wissenschaften zusammen und in welchem Sinne werden sie ein
Kosmos?
Negativ ist das leichter zu erkennen als positiv: Die Einheit der Wissenschaften be-
steht nicht in der Einheit der durch sie erkannten Wirklichkeit. Sie treffen nicht in ih-
rer Gesamtheit die Wirklichkeit im Ganzen. Sie bilden keine Hierarchie durch zuneh-
mende Annäherung an die Wirklichkeit. Sie bilden kein System als Einheit, die alles
Wirklichen Herr wird.
Weltbilder, die das gesamte Wissen zusammenfassen sollen, sind zwar immer wie-
der und vergeblich versucht worden. Sie sind für die moderne Wissenschaft sinnwid-
rig. In ihnen wirkt der Kosmosgedanke der Griechen fort, störend für die echte Er-
Vom Ursprung und Ziel der Geschichte
lose Weitergehen, und in ihrem Selbstbewußtsein der Fortschrittsgedanke. Daher
kommt der beflügelnde Sinn der Wissenschaft, und dann ein Überfallenwerden von
Sinnlosigkeit: wenn das Ziel nie erreicht werden kann und alle Arbeit als Stufe für die
Nachfolgenden gilt, wozu dann die Mühe?
3) Moderne Wissenschaft findet nichts gleichgiltig, sie hält alles für wissenswert, geht
auf das Einzelne und das Kleinste, auf jeden Tatbestand als solchen. Es ist immer wie-
der erstaunlich, zu sehen, wie der moderne Europäer sich, so scheint es, in alles sonst
Verachtete vertieft, nur weil es empirisch real ist. Die griechische Wissenschaft wirkt
demgegenüber wie lieblos gegen die Realität, zufällig in ihrem Zugriff, gelenkt von Ide-
alen, Typen, Gestalten, von einem Vorherwissen, das sie über die meisten Realitäten
hinweggehen läßt. Das gilt noch bei so minutiösem Verhalten zum empirischen Ob-
jekt, wie in manchen der hippokratischen Schriften.
Diese Hingabe an jedes Objekt, an den Zufall, an das Mißgestaltete so gut wie an
das Wohlgestaltete, ruht in einem umgreifenden Selbstbewußtsein, das ebenso unru-
hig wie seiner gewiß ist. Es muß, es soll gewußt werden, was ist. Es darf nichts ausge-
lassen werden.
So ist modern die Breite der Zuwendung zu allem Erfahrbaren, die Vieldimensio-
nalität der gemütlichen Ergriffenheit von allem, was in der Welt vorkommt.
4) Die moderne Wissenschaft, dem Einzelnsten zugewandt, sucht ihre allseitigen Zu-
sammenhänge. Sie kann zwar den Kosmos des Seins nicht ergreifen, wohl aber den Kosmos
114 der Wissenschaften. Die Idee des Zusammengehörens aller Wissenschaften | läßt ein Un-
genügen an jedem vereinzelten Erkennen entstehen. Die moderne Wissenschaft ist nicht
nur universal, sondern lebt hin auf die Einheit der Wissenschaften, die doch nie da ist.
Jede Wissenschaft ist bestimmt durch Methode und Gegenstand. Jede ist eine Per-
spektive in die Welt, keine erfaßt die Welt, jede trifft einen Ausschnitt der Wirklich-
keit, nicht die Wirklichkeit, vielleicht eine Seite aller Wirklichkeit, nicht die Wirklich-
keit im Ganzen. Es gibt besondere Wissenschaften, nicht die eine Wissenschaft als
Wissenschaft vom Wirklichen. So ist alle Wissenschaft partikular, fachlich und spe-
zialistisch, aber jede gehört zu einer Welt, die ohne Schranken ist und doch zusam-
mengehalten wird.
Wie hängen die Wissenschaften zusammen und in welchem Sinne werden sie ein
Kosmos?
Negativ ist das leichter zu erkennen als positiv: Die Einheit der Wissenschaften be-
steht nicht in der Einheit der durch sie erkannten Wirklichkeit. Sie treffen nicht in ih-
rer Gesamtheit die Wirklichkeit im Ganzen. Sie bilden keine Hierarchie durch zuneh-
mende Annäherung an die Wirklichkeit. Sie bilden kein System als Einheit, die alles
Wirklichen Herr wird.
Weltbilder, die das gesamte Wissen zusammenfassen sollen, sind zwar immer wie-
der und vergeblich versucht worden. Sie sind für die moderne Wissenschaft sinnwid-
rig. In ihnen wirkt der Kosmosgedanke der Griechen fort, störend für die echte Er-