Vom Ursprung und Ziel der Geschichte
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verengten Horizont in bezug auf Vergangenheit und Zukunft, er verliert die Überlie-
ferung und das Suchen nach dem Endziel, er lebt nur in der Gegenwart; aber diese Ge-
genwart wird leerer, je weniger sie von Erinnerungssubstanz getragen ist und je weni-
ger sie Zukunftsmöglichkeiten in sich birgt, die in ihr als Keime schon entwickelt
werden. Die Arbeit wird bloße Anstrengung in Anspannung und Hast, der Kraftlei-
stung folgt die Erschöpfung, beides unbesinnlich. In der Ermüdung bleiben nichts als
Triebhaftigkeiten, Bedürfnis nach Genuß und Sensation. Der Mensch lebt mit Kino
und Zeitung, im Nachrichtenhören und Bildersehen, überall im maschinell Konven-
tionellen. Die Vermehrung der technisch erzeugten Verbrauchsgüter läßt diese Masse
von Menschen ins scheinbar Endlose wachsen, jedenfalls bringt das Zeitalter in kur-
zer Zeit eine Vervielfachung der auf der Erdoberfläche lebenden MenschenzahL
Die Verwandlung des Menschen zu Teilen der ungeheuren Maschinerie zeigt sich in
der Auffassung des Menschen durch die sogenannten Tests. Man prüft die individuell
variierenden Eigenschaften und klassifiziert die Menschen durch Zahlen und Größen,
ordnet sie auf Grund dessen in Gruppen, in Typen und in Rangstufen. Wohl wehrt sich
der Mensch als Individuum | gegen diese seine Verwandlung in Material, das sich aus- 146
wechseln läßt, gegen diese Einordnung durch Rubrizierung. Aber der Gang der Dinge
auf der ganzen Welt erzwingt diese Auslesetechniken. Dabei sind die Auslesenden selber
Menschen. Wer liest die Auslesenden aus? Der Auslesende wird selber ein Teil der Ma-
schinerie. Die Apparate und Messungen werden von ihm maschinell vollzogen.
Das Bewußtsein dieses Hineingerissenseins in eine menschenfremde Maschinerie
wurde von einem zweiundzwanzig Jahre alten Leutnant der amerikanischen Luftwaffe
ausgesprochen, als er, der mit höchsten Auszeichnungen für außerordentliche Leistun-
gen in Bombenflugzeugen versehen war, beim Empfang interviewt wurde: »Ich bin ein
Zahnrad in der Hölle einer großen Maschine. Je mehr ich darüber nachdenke, desto
mehr scheint mir, als wäre ich ein Zahnrad gewesen in einem Ding nach dem anderen
seit dem Tage, an dem ich geboren wurde. Wann immer ich zu tun begann, was ich
tun mochte, kam mir ein Ding, das viel größer ist als ich, und schob mich hinten an
einen Platz. Es ist nicht gerade vergnüglich, aber es ist so.«
c. Wertschätzung von Arbeit und Technik
Wertschätzung der Arbeit
Alt sind die sich widersprechenden Beurteilungen der Arbeit: Die Griechen verachte-
ten alle körperliche Arbeit als banausisch. Der volle Mensch ist Aristokrat, arbeitet
nicht, hat Muße, treibt Politik, lebt im Wettkampf, zieht in den Krieg, bringt geistige
Werke hervor. - Juden und Christen sahen in der Arbeit Strafe für die Sünde. Der
Mensch ist aus dem Paradies vertrieben, er trägt die Folgen des Sündenfalls, er soll im
Schweiße seines Angesichts sein Brot essen. - Pascal58 steigert diese Auffassung: die Ar-
beit ist nicht nur Last, sondern Ablenkung von der eigentlichen Aufgabe des Men-
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verengten Horizont in bezug auf Vergangenheit und Zukunft, er verliert die Überlie-
ferung und das Suchen nach dem Endziel, er lebt nur in der Gegenwart; aber diese Ge-
genwart wird leerer, je weniger sie von Erinnerungssubstanz getragen ist und je weni-
ger sie Zukunftsmöglichkeiten in sich birgt, die in ihr als Keime schon entwickelt
werden. Die Arbeit wird bloße Anstrengung in Anspannung und Hast, der Kraftlei-
stung folgt die Erschöpfung, beides unbesinnlich. In der Ermüdung bleiben nichts als
Triebhaftigkeiten, Bedürfnis nach Genuß und Sensation. Der Mensch lebt mit Kino
und Zeitung, im Nachrichtenhören und Bildersehen, überall im maschinell Konven-
tionellen. Die Vermehrung der technisch erzeugten Verbrauchsgüter läßt diese Masse
von Menschen ins scheinbar Endlose wachsen, jedenfalls bringt das Zeitalter in kur-
zer Zeit eine Vervielfachung der auf der Erdoberfläche lebenden MenschenzahL
Die Verwandlung des Menschen zu Teilen der ungeheuren Maschinerie zeigt sich in
der Auffassung des Menschen durch die sogenannten Tests. Man prüft die individuell
variierenden Eigenschaften und klassifiziert die Menschen durch Zahlen und Größen,
ordnet sie auf Grund dessen in Gruppen, in Typen und in Rangstufen. Wohl wehrt sich
der Mensch als Individuum | gegen diese seine Verwandlung in Material, das sich aus- 146
wechseln läßt, gegen diese Einordnung durch Rubrizierung. Aber der Gang der Dinge
auf der ganzen Welt erzwingt diese Auslesetechniken. Dabei sind die Auslesenden selber
Menschen. Wer liest die Auslesenden aus? Der Auslesende wird selber ein Teil der Ma-
schinerie. Die Apparate und Messungen werden von ihm maschinell vollzogen.
Das Bewußtsein dieses Hineingerissenseins in eine menschenfremde Maschinerie
wurde von einem zweiundzwanzig Jahre alten Leutnant der amerikanischen Luftwaffe
ausgesprochen, als er, der mit höchsten Auszeichnungen für außerordentliche Leistun-
gen in Bombenflugzeugen versehen war, beim Empfang interviewt wurde: »Ich bin ein
Zahnrad in der Hölle einer großen Maschine. Je mehr ich darüber nachdenke, desto
mehr scheint mir, als wäre ich ein Zahnrad gewesen in einem Ding nach dem anderen
seit dem Tage, an dem ich geboren wurde. Wann immer ich zu tun begann, was ich
tun mochte, kam mir ein Ding, das viel größer ist als ich, und schob mich hinten an
einen Platz. Es ist nicht gerade vergnüglich, aber es ist so.«
c. Wertschätzung von Arbeit und Technik
Wertschätzung der Arbeit
Alt sind die sich widersprechenden Beurteilungen der Arbeit: Die Griechen verachte-
ten alle körperliche Arbeit als banausisch. Der volle Mensch ist Aristokrat, arbeitet
nicht, hat Muße, treibt Politik, lebt im Wettkampf, zieht in den Krieg, bringt geistige
Werke hervor. - Juden und Christen sahen in der Arbeit Strafe für die Sünde. Der
Mensch ist aus dem Paradies vertrieben, er trägt die Folgen des Sündenfalls, er soll im
Schweiße seines Angesichts sein Brot essen. - Pascal58 steigert diese Auffassung: die Ar-
beit ist nicht nur Last, sondern Ablenkung von der eigentlichen Aufgabe des Men-