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Vom Ursprung und Ziel der Geschichte
es werden doch neue Chinesen, neue Europäer da sein, deren Bild wir noch nicht
sehen können.
Aus solcher Erfahrung unserer geschichtlichen Situation als der Wende der Zeiten
geht der Blick immer wieder zurück. Auf die Frage: gab es schon solche radikale Ver-
wandlungen? war unsere Antwort: wir wissen nicht von den Ereignissen des pro-
metheischen Zeitalters, als der Mensch seine Welt erst erwarb durch Werkzeuge, Feuer,
Sprache. Aber innerhalb der Geschichte ist die größte Wende jene Achsenzeit, von der
die Rede war. Wenn wir jetzt in eine neue radikale Verwandlung des Menschseins ein-
getreten sind, so ist diese nicht eine Wiederholung der Achsenzeit, sondern ein in der
Wurzel anderes Geschehen.
Zunächst äußerlich: Unser technisches Zeitalter ist nicht bloß relativ universal, wie
das Geschehen in jenen drei voneinander unabhängigen Welten der Achsenzeit, son-
dern absolut universal, weil planetarisch. Es ist ein nicht nur dem Sinne nach zueinan-
der gehöriges, aber faktisch getrenntes Geschehen, sondern es ist in ständigem gegen-
seitigen Verkehr ein Ganzes. Es geschieht heute mit dem Bewußtsein der Universalität.
Sie muß eine andere Entscheidung über das Menschsein bringen, als jemals erfolgt ist.
Denn während alle früheren Wendezeiten lokal waren, der Ergänzung durch anderes
Geschehen, an anderen Orten, in anderen Welten fähig waren, bei ihrem Scheitern
179 eine Rettung des Men | sehen durch die anderen Bewegungen möglich ließen, ist j etzt,
was geschieht, absolut entscheidend. Es gibt kein außerhalb mehr.
Innerlich aber handelt es sich um etwas offenbar ganz anderes als in der Achsenzeit.
Damals die Fülle, heute die Leere. Werden wir uns der Wende bewußt, so wissen wir,
daß wir nur in der Vorbereitung sind. Es ist jetzt noch das Zeitalter realer technischer
und politischer Umgestaltung, nicht ein Zeitalter ewiger geistiger Schöpfungen. Wir
können uns mit unseren großartigen wissenschaftlichen Entdeckungen und techni-
schen Erfindungen eher der Zeit der Erfindung der Werkzeuge und Waffen, der ersten
Benutzung der Haustiere und Pferde vergleichen, als der Zeit des Konfuzius, Laotse,
Buddha und Sokrates. Daß wir aber auf jene hohe Aufgabe zugehen, das Menschsein
selber wieder aus seinem Ursprung zu gestalten, daß wir die Schicksalsfrage spüren,
wie wir glaubend zu eigentlichen Menschen werden können, das zeigt sich in der heute
immer stärker werdenden Neigung, zu den Ursprüngen zurückzublicken. Der tiefe
Grund, dem wir entstammen, das Eigentliche, das im Schleier von sekundären Bildun-
gen, von Redewendungen, Konventionen und Institutionen verborgen war, soll wie-
der sprechend werden. Bei diesem Sichverstehen aus dem, woher wir kommen, wird
der Spiegel der großen Achsenzeit der Menschheit vielleicht noch einmal eine der
wesentlichen Vergewisserungen sein.
Vom Ursprung und Ziel der Geschichte
es werden doch neue Chinesen, neue Europäer da sein, deren Bild wir noch nicht
sehen können.
Aus solcher Erfahrung unserer geschichtlichen Situation als der Wende der Zeiten
geht der Blick immer wieder zurück. Auf die Frage: gab es schon solche radikale Ver-
wandlungen? war unsere Antwort: wir wissen nicht von den Ereignissen des pro-
metheischen Zeitalters, als der Mensch seine Welt erst erwarb durch Werkzeuge, Feuer,
Sprache. Aber innerhalb der Geschichte ist die größte Wende jene Achsenzeit, von der
die Rede war. Wenn wir jetzt in eine neue radikale Verwandlung des Menschseins ein-
getreten sind, so ist diese nicht eine Wiederholung der Achsenzeit, sondern ein in der
Wurzel anderes Geschehen.
Zunächst äußerlich: Unser technisches Zeitalter ist nicht bloß relativ universal, wie
das Geschehen in jenen drei voneinander unabhängigen Welten der Achsenzeit, son-
dern absolut universal, weil planetarisch. Es ist ein nicht nur dem Sinne nach zueinan-
der gehöriges, aber faktisch getrenntes Geschehen, sondern es ist in ständigem gegen-
seitigen Verkehr ein Ganzes. Es geschieht heute mit dem Bewußtsein der Universalität.
Sie muß eine andere Entscheidung über das Menschsein bringen, als jemals erfolgt ist.
Denn während alle früheren Wendezeiten lokal waren, der Ergänzung durch anderes
Geschehen, an anderen Orten, in anderen Welten fähig waren, bei ihrem Scheitern
179 eine Rettung des Men | sehen durch die anderen Bewegungen möglich ließen, ist j etzt,
was geschieht, absolut entscheidend. Es gibt kein außerhalb mehr.
Innerlich aber handelt es sich um etwas offenbar ganz anderes als in der Achsenzeit.
Damals die Fülle, heute die Leere. Werden wir uns der Wende bewußt, so wissen wir,
daß wir nur in der Vorbereitung sind. Es ist jetzt noch das Zeitalter realer technischer
und politischer Umgestaltung, nicht ein Zeitalter ewiger geistiger Schöpfungen. Wir
können uns mit unseren großartigen wissenschaftlichen Entdeckungen und techni-
schen Erfindungen eher der Zeit der Erfindung der Werkzeuge und Waffen, der ersten
Benutzung der Haustiere und Pferde vergleichen, als der Zeit des Konfuzius, Laotse,
Buddha und Sokrates. Daß wir aber auf jene hohe Aufgabe zugehen, das Menschsein
selber wieder aus seinem Ursprung zu gestalten, daß wir die Schicksalsfrage spüren,
wie wir glaubend zu eigentlichen Menschen werden können, das zeigt sich in der heute
immer stärker werdenden Neigung, zu den Ursprüngen zurückzublicken. Der tiefe
Grund, dem wir entstammen, das Eigentliche, das im Schleier von sekundären Bildun-
gen, von Redewendungen, Konventionen und Institutionen verborgen war, soll wie-
der sprechend werden. Bei diesem Sichverstehen aus dem, woher wir kommen, wird
der Spiegel der großen Achsenzeit der Menschheit vielleicht noch einmal eine der
wesentlichen Vergewisserungen sein.