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Vom Ursprung und Ziel der Geschichte
der Vernichtung liegt Schweigen, das schaurige Schweigen, aus dem es wie ein Schein
zu uns dringt und doch nichts mehr zu uns gesagt wird.
Wird aber in der Zukunft Glaube sein, sich mitteilen und Menschen verbinden, so ist
gewiß: was an Glauben wirklich wird, ist auf keine Weise zu planen. Wir können nur
bereit sein, ihn zu empfangen, so leben, daß diese Bereitschaft wächst. Wir können
unsere eigene Verwandlung nicht zum Ziele unseres Willens machen, sie muß uns viel-
mehr geschenkt werden, wenn wir so leben, daß wir das Geschenk erfahren können.
Damit scheint es angemessen, über den Glauben in der Zukunft zu schweigen.
Wenn es aber wahr ist, daß jederzeit Glaube gegenwärtig ist, so kann selbst eine Öf-
fentlichkeit, in der der Satz »Gott ist tot« als geglaubte Wahrheit Geltung hat, nicht
völlig auslöschen, was immer ist. Dann sucht dieser Rest oder der Keim dieses Glau-
bens seine Sprache. Und Philosophie kann den Raum erdenken, in dem solche Spra-
che möglich ist. Sie kommt aus zwei Motiven:
1) Wer glaubt, der liebt den glaubenden Menschen, wo immer er ihm begegnet. Wie
Freiheit strebt, daß alle um sie frei werden, so der Glaube, daß alle zu ihrem geschicht-
lichen Glauben kommen. Nicht Zwang ist sinnvoll, nicht Aufdrängen, wohl aber: auf-
merksam machen durch eine Sprache, in der, wie auch immer, Transzendenz beschwo-
ren wird. Zwar können wir einander im Glauben entscheidend nicht helfen, sondern
279 nur begegnen. Wenn Transzendenz hilft, so nur dem Einzelnen durch sein Selbstsein. |
Im Miteinanderreden aber können wir uns ermutigen und entfalten aus dem, was in
jeden Einzelnen gelegt wurde.
2) Wenn planende Arbeit auch niemals einen Glauben hervorbringen kann, so
kann sie doch aus dem Glauben für den Glauben Möglichkeiten erdenken und viel-
leicht schaffen.
Für die Zukunft ist nun unumgänglich: Der Gang des Geistes und das Schicksal der
Menschheit geht durch alle Menschen. Was sie nicht aufnehmen, hat keine große
Chance, zu bleiben. Aristokratisch wird, wie jederzeit, die sublime Entfaltung sein und
das Schöpferische. Aber die Grundlage dessen und das Einfache, auf das alles bezogen
ist, was der Geist hervorbringt, muß im Bewußtsein der Meisten Wirklichkeit gewor-
den sein, oder es muß als unausgesprochenes Verlangen entgegen kommen.
Dabei wird heute mehr als je entscheidend sein, was die Menschen, die lesen und
schreiben gelernt haben - vorher bleiben es schlafende und unwirksame Massen -, nun
auch wirklich lesen. Lange Jahrhunderte war die Bibel das Buch, das jeder Lesende von
der Kindheit bis zum Alter einsah. Heute scheint diese Weise der Überlieferung und
Erziehung in breitem Umkreis verloren zu gehen zugunsten zerstreuter Lektüre. Die
Zeitungen, unter ihnen solche von hohem geistigen Niveau und geschrieben von den
Vom Ursprung und Ziel der Geschichte
der Vernichtung liegt Schweigen, das schaurige Schweigen, aus dem es wie ein Schein
zu uns dringt und doch nichts mehr zu uns gesagt wird.
Wird aber in der Zukunft Glaube sein, sich mitteilen und Menschen verbinden, so ist
gewiß: was an Glauben wirklich wird, ist auf keine Weise zu planen. Wir können nur
bereit sein, ihn zu empfangen, so leben, daß diese Bereitschaft wächst. Wir können
unsere eigene Verwandlung nicht zum Ziele unseres Willens machen, sie muß uns viel-
mehr geschenkt werden, wenn wir so leben, daß wir das Geschenk erfahren können.
Damit scheint es angemessen, über den Glauben in der Zukunft zu schweigen.
Wenn es aber wahr ist, daß jederzeit Glaube gegenwärtig ist, so kann selbst eine Öf-
fentlichkeit, in der der Satz »Gott ist tot« als geglaubte Wahrheit Geltung hat, nicht
völlig auslöschen, was immer ist. Dann sucht dieser Rest oder der Keim dieses Glau-
bens seine Sprache. Und Philosophie kann den Raum erdenken, in dem solche Spra-
che möglich ist. Sie kommt aus zwei Motiven:
1) Wer glaubt, der liebt den glaubenden Menschen, wo immer er ihm begegnet. Wie
Freiheit strebt, daß alle um sie frei werden, so der Glaube, daß alle zu ihrem geschicht-
lichen Glauben kommen. Nicht Zwang ist sinnvoll, nicht Aufdrängen, wohl aber: auf-
merksam machen durch eine Sprache, in der, wie auch immer, Transzendenz beschwo-
ren wird. Zwar können wir einander im Glauben entscheidend nicht helfen, sondern
279 nur begegnen. Wenn Transzendenz hilft, so nur dem Einzelnen durch sein Selbstsein. |
Im Miteinanderreden aber können wir uns ermutigen und entfalten aus dem, was in
jeden Einzelnen gelegt wurde.
2) Wenn planende Arbeit auch niemals einen Glauben hervorbringen kann, so
kann sie doch aus dem Glauben für den Glauben Möglichkeiten erdenken und viel-
leicht schaffen.
Für die Zukunft ist nun unumgänglich: Der Gang des Geistes und das Schicksal der
Menschheit geht durch alle Menschen. Was sie nicht aufnehmen, hat keine große
Chance, zu bleiben. Aristokratisch wird, wie jederzeit, die sublime Entfaltung sein und
das Schöpferische. Aber die Grundlage dessen und das Einfache, auf das alles bezogen
ist, was der Geist hervorbringt, muß im Bewußtsein der Meisten Wirklichkeit gewor-
den sein, oder es muß als unausgesprochenes Verlangen entgegen kommen.
Dabei wird heute mehr als je entscheidend sein, was die Menschen, die lesen und
schreiben gelernt haben - vorher bleiben es schlafende und unwirksame Massen -, nun
auch wirklich lesen. Lange Jahrhunderte war die Bibel das Buch, das jeder Lesende von
der Kindheit bis zum Alter einsah. Heute scheint diese Weise der Überlieferung und
Erziehung in breitem Umkreis verloren zu gehen zugunsten zerstreuter Lektüre. Die
Zeitungen, unter ihnen solche von hohem geistigen Niveau und geschrieben von den