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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0119
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96 Der Antichrist. Fluch auf das Christenthum

Quand les dieux perdent leur caractere indigene, ils meurent, et avec eux les
peuples. Plus une nation est forte, plus son dieu est distinct des autres. Il ne
s'est encore jamais rencontre de peuple sans religion, c'est-ä-dire sans la
notion du bien et du mal. Chaque peuple /275/ entend ces mots ä sa maniere.
Les idees de bien et de mal viennent-elles ä etre comprises de meme chez
plusieurs peuples, ceux-ci meurent, et la difference meme entre le mal et le
bien commence ä s'effacer et ä disparaitre. Jamais la raison n'a pu definir le
mal et le bien, ni meme les distinguer, ne füt-ce qu'approximativement, l'un
de l'autre; toujours au contraire elle les a honteusement confondus; la science
a conclu en faveur de la force brutale. [...] Je rabaisse Dieu en le considerant
comme un attribut de la nationalite? cria Chatoff, — au contraire j'eleve le
peuple jusqu'ä Dieu. Et quand en a-t-il ete autrement? Le peuple, c'est le corps
de Dieu. Une nation ne merite ce nom qu'aussi longtemps qu'elle a son dieu
particulier et qu'elle repousse obstinement tous les autres; aussi longtemps
qu'elle compte avec son dieu vaincre et chasser du monde toutes les divinites
etrangeres. Telle a ete depuis le commencement des siecles la croyance de tous
les grands peuples" (Dostoievsky 1886a, 1, 274 f. „Die Nationen entstehen und
verändern sich in ihrer Tugend durch eine Kraft mit unbekanntem und uner-
klärbarem Ursprung. Diese Kraft ist das unstillbare Verlangen, an ein Ziel zu
gelangen, und gleichzeitig negiert sie das Ziel. Dies ist bei einem Volk die
unaufhörliche, unermüdliche Bejahung seiner Existenz und die Verneinung
des Todes. ,Der Geist des Lebens', wie die heilige Schrift sagt, die ,Flüsse des
Lebenswassers', denen die Apokalypse das Austrocknen prophezeit, das ästhe-
tische oder moralische Prinzip der Philosophen, ,die Suche nach Gott', um das
einfachste Wort zu benutzen. Bei jedem Volk in jedem Abschnitt seiner Exis-
tenz ist das Ziel jeder nationalen Bewegung bloß die Suche nach Gott, seinem
Gott, an den es glaubt, wie an den einzig wahren. Gott ist die synthetische
Persönlichkeit jedes Volkes seit seinem Anbeginn bis zu seinem Ende. Man hat
noch nicht alle Völker oder auch nur viele Völker gesehen, die sich in der
Anbetung desselben Gottes vereint haben, jeder hatte immer seine eigene Gott-
heit. Wenn die Kulte allgemeiner werden, steht die Zerstörung der Nationalitä-
ten bevor. Wenn die Götter ihre eingeborenen Eigenschaften verlieren, sterben
sie und mit ihnen die Völker. Je stärker eine Nation ist, desto stärker unter-
scheidet sich ihr Gott von den anderen. Es hat noch niemals ein Volk ohne
Religion gegeben, das heißt, ohne Begriff von Gut und Böse. Jedes Volk /275/
versteht diese Worte in seiner Art und Weise. Wenn die Vorstellung von Gut
und Böse von mehreren Völkern auf dieselbe Weise verstanden wird, werden
diese Völker sterben, und der Unterschied selbst zwischen Gut und Böse
beginnt zu verwischen und zu verschwinden. Die Vernunft hat niemals Gut
und Böse definieren können, sie konnte sie nicht einmal unterscheiden, nicht
 
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