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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0146
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Stellenkommentar AC 23, KSA 6, S. 189-190 123

böse, noch absolut böse. Dieser Begriff ist erst geschaffen worden, da das
Christenthum jedes Compromiss mit anderen Gottesbegriffen ablehnte und kei-
nen Versuch zulassen wollte, neben seinem absoluten Gottesbegriffe noch
andere anzuerkennen, wie einst die griechische Philosophie versucht hatte."
190, 4 f. Das Christenthum hat einige Feinheiten auf dem Grunde, die zum Orient
gehören.] Renan 1866, 295 spricht von der „conquete de l'Occident par l'Ori-
ent", die dem Christentum den Boden bereitet habe (vgl. auch Orsucci 1996,
299). Zum Orientalismus des Christentums stellen auch Feuerbach (1904, 125)
und Overbeck einschlägige Überlegungen an, vgl. Sommer 2000a, 231.
190, 5-13 Vor allem weiss es, dass es an sich ganz gleichgültig ist, ob Etwas
wahr (ist), aber von höchster Wichtigkeit, sofern es als wahr geglaubt wird.
Die Wahrheit und der Glaube, dass Etwas wahr sei: zwei ganz auseinanderlie-
gende Interessen-Welten, fast Gegensatz-Welten — man kommt zum Einen
und zum Andren auf grundverschiednen Wegen. Hierüber wissend zu sein — das
macht im Orient beinahe den Weisen: so verstehn es die Brahmanen, so ver-
steht es Plato, so jeder Schüler esoterischer Weisheit.] Das Thema der „heiligen
Lüge" bespricht N. etwa in GD Die „Verbesserer" der Menschheit 5, vgl. NK
KSA 6, 102, 13-16, den Zusammenhang von Glaube und Lüge in AC 55, KSA 6,
237-239. Der erkenntnistheoretische Status der in 190, 5-13 gegen den „Glau-
ben" aufgebotenen Wahrheit bleibt freilich unbestimmt: Gibt es für N. eine
erkennbare Wahrheit im Sinne einer Übereinstimmung von Begriff und Sache,
die gegen den bloßen Glauben ausgespielt werden kann, oder doch nur eine
irreduzible Vielfalt von Perspektiven? AC suggeriert unverdrossen die Möglich-
keit unbeschnittener Wahrheitserkenntnis und postuliert so einen unversöhnli-
chen Gegensatz von Wissenschaft und Glauben, der „die Vernunft, die
Erkenntniss, die Forschung in Misskredit bringen" (190, 17 f.) wolle. Die These,
die in AC 48, KSA 6, 226 f. wiederkehrt, lebt von einer Ausschließungslogik,
die AC insgesamt beherrscht.
190, 13 esoterischer Weisheit] Korrigiert im Druckmanuskript aus: „des Ori-
ents" (KSA 14, 440).
190, 19-27 Die starke Hoffnung ist ein viel grösseres Stimulans des Lebens,
als irgend ein einzelnes wirklich eintretendes Glück. Man muss Leidende durch
eine Hoffnung aufrecht erhalten, welcher durch keine Wirklichkeit widersprochen
werden kann, — welche nicht durch eine Erfüllung abgethan wird: eine Jen-
seits-Hoffnung. (Gerade wegen dieser Fähigkeit, den Unglücklichen hinzuhalten,
galt die Hoffnung bei den Griechen als Übel der Übel, als das eigentlich tücki-
sche Übel: es blieb im Fass des Übels zurück).] Der Hinweis auf die Hoffnung
als dem „im Fass" zurückbleibenden Übel bezieht sich auf die Geschichte der
 
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