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Sommer, Andreas Urs; Nietzsche, Friedrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Mitarb.]
Historischer und kritischer Kommentar zu Friedrich Nietzsches Werken (Band 6,2): Kommentar zu Nietzsches "Der Antichrist", "Ecce homo", "Dionysos-Dithyramben", "Nietzsche contra Wagner" — Berlin, Boston: De Gruyter, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.70914#0478
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Stellenkommentar EH Bücher, KSA 6, S. 300-301 455

Kreuzzeitung nur an Muth gebreche?...] Gemeint ist die Besprechung von Paul
Michaelis in der National-Zeitung vom 04. 12. 1886 (KGB III 7/3, 2, S. 865-871,
vgl. auch Kr I, 136), zu der N. im Entwurf seines Briefes an Spitteler vom 10. 02.
1888, KSB 8, Nr. 987, S. 246, Z. 14-20 (korrigiert nach KGW IX 3, N VII 3, 39,
26-40, hier nur in der von N. korrigierten Version wiedergegeben) vermerkte,
sie sei „die achtbarste Recapitulation meines Gedankenganges, die ich bisher
gelesen habe; daß sie mit Abneigung gemacht ist, verarge ich dem Referenten
durchaus nicht: — ihre relative Objektivität ist mir um so ehrenwerther (der
schließliche Versuch, den er macht mich als Symptom (einer) [...] gegenwärti-
gen, socialen Strömung zu verstehen, liegt natürlich abseits von meinen Inte-
ressen)". Im dann abgeschickten Brief an Spitteler vom 10. 02. 1888, KSB 8,
Nr. 988, S. 247, Z. 45-49 notierte N. hingegen nur noch: „Ich lege zwei Bespre-
chungen dieses Buchs [sc. Jenseits von Gut und Böse] bei: die des Dr. Widmann
und die der Nationalzeitung. Letztere, abgeneigt und unehrerbietig, wie sie ist,
stellt trotzdem den Gedankengang des Buchs mit leidlicher Deutlichkeit hin"
(N. ließ Michaelis auch noch andere Werke zuschicken, vgl. N. an Ernst Wil-
helm Fritzsch, 21. 03. 1888, KSB 8, Nr. 1006, S. 274).
Die Korrespondenz straft N.s Behauptung in 300, 31-34 Lügen, er interes-
siere sich nicht für die Rezensionen seiner Bücher — offenkundig verschickte
er sie sogar zur ersten Orientierung über diese Bücher. Bemerkenswert ist auch,
dass der Aspekt, der N. nach dem Briefentwurf an Spitteler gar nicht kümmere,
nämlich Michaelis' „Versuch", Jenseits von Gut und Böse als „Symptom einer
gegenwärtigen, socialen Strömung zu verstehn", bei der Erwähnung in 301, 4-
9 als einziger überhaupt genannt wird. Zugleich wird großzügig vergessen,
dass Michaelis immerhin „die achtbarste Recapitulation meines Gedanken-
gangs" gelungen sein soll. EH Warum ich so gute Bücher schreibe 1 will ja
gerade demonstrieren, dass N.s Schriften von den Zeitgenossen weder verstan-
den werden noch verstanden werden können; daher kann es auch keine „acht-
barste Recapitulation" geben, sondern nur Missverstehen. Die Stelle, auf die
sich N. in 301, 4-9 bezieht, lautet: „Aber um die Summa zu ziehen: man sieht,
die aristokratische Strömung unserer Zeit hat nun auch ihren philosophischen
Vertreter gefunden. Nietzsche spricht nur aus, was, wenn auch unbewußt,
heute die leitenden und treibenden Gedanken eines großen Theils der ,vorneh-
men' Gesellschaft sind. Er ist der Philosoph der junkerlichen Aristokratie und
all derer, die ,Carriere machen' wollen. Vielleicht hindert nur seine unbequeme
Offenheit, daß er offen von ihnen allen anerkannt wird. [...] Ihr Grundsatz
lautet: Macht geht vor Recht. Darum ist dies Buch ein charakteristisches Merk-
mal einer ganz bestimmten Richtung in unserem modernen Leben." (KGB III
7/3, 2, S. 870 f.)
Die Parenthese in 301, 4 f.: „eine preussische Zeitung" spielt auf den
Namen der in 301, 9 genannten, konservativen-christlichen Kreuzzeitung aus
 
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