Stellenkommentar EH Zarathustra, KSA 6, S. 345-349 571
ihm nun, daß er nicht vom Minotauros gefressen wurde? Was ihn nun jetzt
frißt, ist schlimmer als ein Minotauros.' Dionysos Du schmeichelst mir, antwor-
tete Ariadne, aber ich bin meines Mitleidens müde, an mir sollen alle Helden
zu Grunde gehen: man-muß-Gott sein werden^damit-iehUieben-kann -aber-ieh
will nicht mitleiden wenn ich liebe Das ist meine letzte Liebe zu Theseus:
,ich richte ihn zu Grunde'" (NL 1887, KSA 12, 9[115], 401, 27-402, 18, korrigiert
nach KGW IX 6, W II 1, 52, 8-40-53, 36-40-54, 36-42).
Ob man aus dem Labyrinth wirklich hinaus will oder nicht vielmehr
hinein, lassen andere verrätselte Äußerungen zum Thema ebenso offen wie
das Leserbedürfnis nach einer letzten und endgültigen Identifikation Ariadnes:
„Ein labyrinthischer Mensch sucht niemals die Wahrheit, sondern immer nur
seine Ariadne — was er uns auch sagen möge." (NL 1882, KSA 10, 4[55], 125,
20 f.) Vgl. DD Klage der Ariadne, KSA 6, 398-401.
348, 12-22 Ich wandle unter Menschen als unter Bruchstücken der Zukunft:
jener Zukunft, die ich schaue. / Und das ist all mein Dichten und Trachten, dass
ich in Eins dichte und zusammentrage, was Bruchstück ist und Räthsel und grau-
ser Zufall. / Und wie ertrüge ich es Mensch zu sein, wenn der Mensch nicht auch
Dichter und Räthselrather und Erlöser des Zufalls wäre? / Die Vergangnen
zu erlösen und alles „Es war" umzuschaffen in ein „So wollte ich es!" — das
hiesse mir erst Erlösung.] Aus: Za II Von der Erlösung, KSA 4, 179, 18-27 mit
geringfügigen stilistischen Änderungen. Hervorgehoben wird erst in der Adap-
tion die Wendung „Die Vergangnen zu erlösen" — eine Wendung, die auch für
N.s selbstexplikatives Unterfangen in EH als programmatisch gelten kann.
348, 29-349, 18 Nicht-mehr-wollen und Nicht-mehr-schätzen und Nicht-
mehr- schaffen: oh dass diese grosse Müdigkeit mir stets ferne bleibe! / Auch
im Erkennen fühle ich nur meines Willens Zeuge- und Werdelust; und wenn
Unschuld in meiner Erkenntniss ist, so geschieht dies, weil Wille zur Zeu-
gung in ihr ist. / Hinweg von Gott und Göttern lockte mich dieser Wille: was
wäre denn zu schaffen, wenn Götter — da wären? / Aber zum Menschen treibt
er mich stets von Neuem, mein inbrünstiger Schaffens-Wille; so treibt's den Ham-
mer hin zum Steine. / Ach, ihr Menschen, im Steine schläft mir ein Bild, das Bild
der Bilder! Ach, dass es im härtesten, hässlichsten Steine schlafen muss! / Nun
wüthet mein Hammer grausam gegen sein Gefängniss. Vom Steine
stäuben Stücke: was schiert mich das! / Vollenden will ich's, denn ein Schatten
kam zu mir, — aller Dinge Stillstes und Leichtestes kam einst zu mir! / Des
Übermenschen Schönheit kam zu mir als Schatten: was gehen mich noch — die
Götter an!...] Aus: Za II Auf den glückseligen Inseln, KSA 4, 111, 18-112, 4.
Geringfügig weicht die Vorlage in Orthographie und Interpunktion ab. 111, 19
hat „ach" statt „oh" (348, 30); 111, 29 hat „das Bild meiner Bilder" statt „das
ihm nun, daß er nicht vom Minotauros gefressen wurde? Was ihn nun jetzt
frißt, ist schlimmer als ein Minotauros.' Dionysos Du schmeichelst mir, antwor-
tete Ariadne, aber ich bin meines Mitleidens müde, an mir sollen alle Helden
zu Grunde gehen: man-muß-Gott sein werden^damit-iehUieben-kann -aber-ieh
will nicht mitleiden wenn ich liebe Das ist meine letzte Liebe zu Theseus:
,ich richte ihn zu Grunde'" (NL 1887, KSA 12, 9[115], 401, 27-402, 18, korrigiert
nach KGW IX 6, W II 1, 52, 8-40-53, 36-40-54, 36-42).
Ob man aus dem Labyrinth wirklich hinaus will oder nicht vielmehr
hinein, lassen andere verrätselte Äußerungen zum Thema ebenso offen wie
das Leserbedürfnis nach einer letzten und endgültigen Identifikation Ariadnes:
„Ein labyrinthischer Mensch sucht niemals die Wahrheit, sondern immer nur
seine Ariadne — was er uns auch sagen möge." (NL 1882, KSA 10, 4[55], 125,
20 f.) Vgl. DD Klage der Ariadne, KSA 6, 398-401.
348, 12-22 Ich wandle unter Menschen als unter Bruchstücken der Zukunft:
jener Zukunft, die ich schaue. / Und das ist all mein Dichten und Trachten, dass
ich in Eins dichte und zusammentrage, was Bruchstück ist und Räthsel und grau-
ser Zufall. / Und wie ertrüge ich es Mensch zu sein, wenn der Mensch nicht auch
Dichter und Räthselrather und Erlöser des Zufalls wäre? / Die Vergangnen
zu erlösen und alles „Es war" umzuschaffen in ein „So wollte ich es!" — das
hiesse mir erst Erlösung.] Aus: Za II Von der Erlösung, KSA 4, 179, 18-27 mit
geringfügigen stilistischen Änderungen. Hervorgehoben wird erst in der Adap-
tion die Wendung „Die Vergangnen zu erlösen" — eine Wendung, die auch für
N.s selbstexplikatives Unterfangen in EH als programmatisch gelten kann.
348, 29-349, 18 Nicht-mehr-wollen und Nicht-mehr-schätzen und Nicht-
mehr- schaffen: oh dass diese grosse Müdigkeit mir stets ferne bleibe! / Auch
im Erkennen fühle ich nur meines Willens Zeuge- und Werdelust; und wenn
Unschuld in meiner Erkenntniss ist, so geschieht dies, weil Wille zur Zeu-
gung in ihr ist. / Hinweg von Gott und Göttern lockte mich dieser Wille: was
wäre denn zu schaffen, wenn Götter — da wären? / Aber zum Menschen treibt
er mich stets von Neuem, mein inbrünstiger Schaffens-Wille; so treibt's den Ham-
mer hin zum Steine. / Ach, ihr Menschen, im Steine schläft mir ein Bild, das Bild
der Bilder! Ach, dass es im härtesten, hässlichsten Steine schlafen muss! / Nun
wüthet mein Hammer grausam gegen sein Gefängniss. Vom Steine
stäuben Stücke: was schiert mich das! / Vollenden will ich's, denn ein Schatten
kam zu mir, — aller Dinge Stillstes und Leichtestes kam einst zu mir! / Des
Übermenschen Schönheit kam zu mir als Schatten: was gehen mich noch — die
Götter an!...] Aus: Za II Auf den glückseligen Inseln, KSA 4, 111, 18-112, 4.
Geringfügig weicht die Vorlage in Orthographie und Interpunktion ab. 111, 19
hat „ach" statt „oh" (348, 30); 111, 29 hat „das Bild meiner Bilder" statt „das